Fall 15
Aktenzeichen: 1 BvQ 23/00
Beck Online: NJW 2000 3053.0

cid 15 
 BUNDESVERFASSUNGSGERICHT 
- 1 BvQ 23/00 - 

 

 

 

Im Namen des Volkes 

 

In dem Verfahren 
      über 
      den Antrag, 

 

unter Aufhebung der Beschlüsse des
      Verwaltungsgerichts Hamburg vom 17. August 2000 - 14 VG
      3354/2000 - und des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom
      18. August 2000 - 4 Bs 245/00 - im Weg der einstweiligen
      Anordnung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des
      Antragstellers gegen das Versammlungsverbot der Freien und
      Hansestadt Hamburg vom 16. August 2000 - Tgb-Nr. 211/2000 -
      wieder herzustellen, 


   


Antragsteller: Herr W... 


   


hat die 1. Kammer des Ersten Senats des
      Bundesverfassungsgerichts durch den 
Vizepräsidenten Papier, 
      und die Richter Hömig, 
      Hoffmann-Riem 


   


gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit
      § 93 d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung
      vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 18. August 2000
      einstimmig beschlossen: 


   



Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
        des Antragstellers gegen die Verbotsverfügung der Freien
        und Hansestadt Hamburg - Behörde für Inneres - vom 16.
        August 2000 wird für die für den 20. August 2000
        angemeldete Versammlung mit folgenden Maßgaben wieder
        hergestellt: 
        a) Die Versammlung findet stationär auf dem
        Axel-Springer-Platz in der Zeit von 14.00 Uhr bis höchstens
        16.00 Uhr statt. 
        b) Untersagt ist die Benutzung von Trommeln und Fahnen -
        außer der Bundesflagge - und von Transparenten strafbaren
        Inhalts, die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger
        Organisationen sowie das Tragen von Uniformen,
        Uniformteilen oder gleichartigen Kleidungsstücken als
        Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung. 
        c) In Versammlungsreden und Spruchchören sowie auf
        Transparenten unterbleiben Aussagen zum Todestag von Rudolf
        Heß.
                             Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
                             Die Freie und Hansestadt Hamburg hat die
        Hälfte der notwendigen Auslagen des Antragstellers zu
        erstatten.
                          


   


Gründe: 


1  


Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen
      Anordnung betrifft ein für sofort vollziehbar erklärtes
      Versammlungsverbot. Die Kammer hat die Begründung ihrer
      Entscheidung gemäß § 32 Abs. 5 in Verbindung mit
      § 93 d Abs. 2 BVerfGG nach Bekanntgabe des Beschlusses
      schriftlich abgefasst. 

 

I. 


2  


1. Der Antragsteller meldete mit Schreiben vom
      3. August 2000 sein Vorhaben an, in Hamburg am 19. August
      2000 von 14.00 Uhr bis ca. 18.00 Uhr eine Versammlung unter
      freiem Himmel durchzuführen. Sie sollte das Motto "Gegen
      Lügen und Hetze der BILD-Zeitung - Enteignet Springer!"
      tragen und aus einem etwa 2,6 km langen Aufzug durch die
      Innenstadt bestehen. Auftakt- und Abschlusskundgebung sollten
      auf dem Theodor-Heuss-Platz stattfinden. Die Hauptkundgebung
      war für den Axel-Springer-Platz geplant. Die Teilnehmerzahl
      wurde vom Antragsteller bei der Anmeldung auf ca. 100 bis 200
      Personen geschätzt. 


3  


Mit Schreiben vom 12. August 2000 meldete der
      Antragsteller eine identische Veranstaltung für den 20.
      August 2000 für den Fall an, dass ein Verbot der für den 19.
      August 2000 angemeldeten Versammlung so spät ergehe, dass bis
      zum Versammlungstermin nicht mehr erfolgreich Rechtsschutz in
      Anspruch genommen werden könne oder dass eine nicht
      untersagte Gegendemonstration die Durchführung des
      angemeldeten Aufzuges unmöglich mache oder die
      Streckenführung unter Gefährdung des Demonstrationszwecks
      beeinträchtige. 


4  


2. Mit Bescheid vom 16. August 2000 untersagte
      die Freie und Hansestadt Hamburg die Durchführung beider
      Aufzüge sowie jeder Form von Ersatzveranstaltungen am 19. und
      20. August 2000 im Bereich der Stadt und ordnete die
      sofortige Vollziehung dieser Regelungen an. 


5  


Die auf § 15 Abs. 1 VersG gestützte
      Verbotsverfügung war im Wesentlichen wie folgt begründet: 


6  


a) Es bestehe die Befürchtung, dass der Aufzug
      entgegen den Angaben in der Anmeldung als Gedenkveranstaltung
      zum 13. Todestag von Rudolf Heß am 17. August 2000
      durchgeführt werde und Straftaten begangen würden. Zum Beleg
      führte die Versammlungsbehörde unter anderem aktuelle
      Plakatierungen im Raum Hamburg an, die, wenn auch ohne Bezug
      zur Versammlung, auf Rudolf Heß hinwiesen, und stellte die
      langjährig in diesem Zusammenhang stattfindenden Aktionen der
      rechtsextremistischen Szene näher dar. Außerdem wurde darauf
      hingewiesen, der Anmelder selbst habe von 1987 bis 1995, zum
      Teil als Mitorganisator, an Heß-Gedenkveranstaltungen und bis
      heute an zahlreichen anderen rechtsextremistischen
      Aktivitäten teilgenommen. Da in der Vergangenheit
      Versammlungen zum Todestag von Rudolf Heß regelmäßig mit
      Verherrlichungen des nationalsozialistischen Regimes, mit dem
      Äußern strafbarer Parolen und dem Zeigen verbotener Symbole
      einhergegangen seien, ergebe sich aus den gesamten Umständen,
      dass auch bei der angemeldeten Veranstaltung mit der
      Verwirklichung - näher bezeichneter - einschlägiger
      Straftatbestände zu rechnen sei. Vor diesem Hintergrund sei
      davon auszugehen, dass, falls der Aufzug nicht von vornherein
      als Heß-Gedenkveranstaltung geplant sei, der Anmelder dieser
      Entwicklung zumindest nicht mit Nachdruck entgegensteuern
      wolle und dies bei einer erhöhten Teilnehmerzahl auch nicht
      könne. Auch seitens der Polizei werde mangels ausreichender
      Kräfte keine Möglichkeit bestehen, eine derartige Umwidmung
      des Aufzuges zu verhindern. 


7  


b) Der Aufzug verletze in erheblicher Weise
      die öffentliche Ordnung. Der Kundgebungsplatz befinde sich in
      der unmittelbaren Nähe einer Grünfläche, von der ab dem 25.
      Oktober 1941 Personen jüdischer Religion, die in Hamburg
      lebten, in Ghettos und Vernichtungslager deportiert worden
      seien. Den Beginn und das Ende eines Aufzuges von
      Rechtsextremisten, bei dem Rudolf Heß, seine Rolle im
      "Dritten Reich" und das gesamte Naziregime einschließlich
      seiner verbrecherischen Judenverfolgung glorifiziert würden,
      in unmittelbarer Nähe dieses geschichtlich belasteten Ortes
      erleben zu müssen, stelle eine erhebliche Beeinträchtigung
      des sittlichen Empfindens aller Hamburgerinnen und Hamburger
      dar, insbesondere der ansässigen Jüdischen Gemeinde. 


8  


c) Unter dem Gesichtspunkt des polizeilichen
      Notstands sei der Aufzug zu verbieten, weil nach derzeitigen
      polizeilichen Erkenntnissen bis zu 1.500 Gegendemonstranten,
      darunter bis zu 200 Personen des gewaltbereiten Spektrums und
      eine nicht zu prognostizierende Anzahl von Mitgliedern
      ausländischer linksextremistischer Gruppen, besonders
      jugendlichen Ausländern, zu rechnen sei. Nach den mit
      rechtsextremistischen Aufzügen in Hamburg in den Jahren 1999
      und 2000 gemachten Erfahrungen sei mit erheblichen, in der
      Verfügung im Einzelnen in Gestalt eines zu erwartenden
      Szenarios näher geschilderten, Gewalttätigkeiten von dieser
      Seite zu rechnen. Auf Grund der bestehenden Emotionalisierung
      im Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion gegen
      Rechtsextremismus sei davon auszugehen, dass Straftaten
      linksextremistischer Gewalttäter aus dem Bereich des
      bürgerlichen Protestes geduldet würden. Zudem berge die
      Marschstrecke nach Einschätzung der Polizei besondere -
      ortsbezogen näher benannte - Risiken. Diese seien nach
      polizeilicher Erfahrung nur mit einem starken Kräfteeinsatz
      der Polizei unter gleichzeitiger Einsatzdurchführung mit
      festen Sperrlinien unter Raumschutzaufträgen möglich. Ein
      hinreichender Schutz der Aufzugteilnehmer sowie unbeteiligter
      Dritter sei ohne diese Einsatzmaßnahmen auch bei großem
      Kräfteeinsatz der Polizei nicht zu erreichen. Hierfür seien
      33 Hundertschaften notwendig. Diese stünden am 19. August
      2000 nicht zur Verfügung, an dem die Polizei besonders viele
      andere Veranstaltungen zu schützen habe, darunter ein
      Fußballspiel der 2. Bundesliga und der Schlager-Move in St.
      Pauli mit erwarteten 300.000 Teilnehmern sowie weitere, im
      Bescheid aufgeführte Veranstaltungen. Für die Bildung der zur
      Durchführung des Aufzuges erforderlichen Einsatzabschnitte
      müssten ausschließlich geschlossene Einheiten eingesetzt
      werden. Aus Hamburger Kräften seien aber nur 11
      Hundertschaften verfügbar. Auch nach mehreren bundesweiten
      Anfragen um Unterstützung stünden auf Grund anderer
      Ereignisse sowie der bundesweit zu verzeichnenden Betätigung
      im Rahmen von "Heß-Aktionswochen" nur fünf auswärtige
      Hundertschaften zur Verfügung. Es bestehe somit ein
      Fehlbestand von 17 Hundertschaften. 


9  


Die Sachlage sei nur geringfügig anders zu
      beurteilen, wenn die Marschstrecke des Aufzuges verlegt oder
      gekürzt bzw. auf eine stationäre Versammlung beschränkt
      werde. Hier konzentrierten sich die Aktionen gewaltbereiter
      Störer insbesondere auf den An- und Abmarsch der Teilnehmer
      des Aufzuges und auf Reizobjekte in der Innenstadt. Eine
      zeitliche Verlegung des Aufzuges bedeute eine ungeeignete
      Maßnahme, da das zu erwartende Störerpotential nach
      polizeilicher Einschätzung auch zu einer anderen Zeit
      mobilisiert würde. So bestehe eine extreme Konflikt- und
      Gefahrenlage, deren Bewältigung unter Einsatz der vorhandenen
      und nach derzeitigem Sachstand bis zum Einsatztag verfügbaren
      Einsatzkräfte ohne erhebliche Sicherheitsstörungen infolge
      körperlicher Auseinandersetzungen, Sachbeschädigungen und der
      Begehung anderer gewichtiger Straftaten nicht möglich sei.
      Unter diesen extremen tatsächlichen Voraussetzungen müsse die
      Durchführung des angemeldeten Aufzuges hinter den
      höherrangigen Grundrechten auf Leben und körperliche
      Unversehrtheit zurückstehen. 


10  


Die Durchführung einer stationären Versammlung
      vor dem Gebäude des Axel-Springer-Verlages am
      Axel-Springer-Platz, die vom Anmelder als einzig akzeptable
      Alternative geschildert worden sei, erfordere ein
      polizeiliches Einsatzkonzept mit gleichen Schutzaufträgen.
      Unter Berücksichtigung der hier besonders zu schützenden An-
      und Abmarschphasen ergebe sich kein entscheidend geringerer
      Kräftebedarf. 


11  


Das Verbot von Ersatzveranstaltungen sei
      auszusprechen gewesen, um eine Gefährdung der öffentlichen
      Sicherheit und Ordnung aus den genannten Gründen zu
      verhindern. 


12  


3. Einen Eilantrag des Antragstellers auf
      Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines
      Widerspruchs gegen die Verbotsverfügung lehnte das
      Verwaltungsgericht Hamburg mit Beschluss vom 17. August 2000
      ab. Zur Begründung schloss es sich der Auffassung der
      Versammlungsbehörde an, das in der Anmeldung benannte
      Anliegen der Versammlung, auf die aus der Sicht des
      Antragstellers einseitige Berichterstattung der BILD-Zeitung
      über die rechtsextremistische Szene und insbesondere über den
      Antragsteller aufmerksam zu machen, diene nur als Vorwand für
      eine Rudolf Heß-Gedenkveranstaltung, zumindest nehme der
      Antragsteller dies billigend in Kauf. 


13  


Das Verwaltungsgericht stützte diese
      Auffassung unter anderem auf den in einer Internetseite
      enthaltenen Hinweis der "Kameradschaft Germania/Berlin" vom
      17. August 2000, dass am 19. August 2000 in Hamburg eine
      Rudolf Heß-Demonstration stattfinde. Auch der Anmelder der
      Lübecker Rudolf Heß-Veranstaltung, dessen Einbindung in die
      rechtsextremistische Szene dem Gericht bereits aus einem
      anderen Verfahren bekannt sei, habe - entgegen einer nicht
      glaubhaften eidesstattlichen Versicherung - bekundet, er
      werde nach dem Lübecker Aufzug mit seinen Leuten an dem
      Aufzug in Hamburg teilnehmen. Die weiteren von der
      Versammlungsbehörde angeführten Tatsachen wiesen in dieselbe
      Richtung. Seiner verbalen Distanzierung von einer derart
      veränderten Zielsetzung des Aufzuges vermöge das Gericht
      nicht zu glauben. Dem stünden der persönliche Werdegang des
      Antragstellers und seine nach wie vor ausgeübten Aktivitäten
      in der rechtsextremistischen Szene entgegen. Überdies sei es
      dem Antragsteller möglich gewesen, seinen Aufzug auf ein
      anderes, historisch nicht vorbelastetes Datum zu verlegen und
      so zu vermeiden, dass ihm andere als die angegebenen Ziele
      für den Aufzug unterstellt würden. Wenn aber nach allem von
      einer Rudolf Heß-Gedenkveranstaltung auszugehen sei, müsse
      nach bisheriger Erfahrung auch mit den für derartige
      Veranstaltungen typischen Straftaten gerechnet werden. Davon
      ausgehend komme es auf die Frage, ob ein ausreichender
      Einsatz von Sicherheitskräften die Durchführung des von dem
      Antragsteller geplanten Aufzuges ermöglichen würde, nicht
      mehr an. Auch das Verbot der Durchführung von
      Ersatzveranstaltungen am 19. bzw. 20. August 2000 sei aus den
      gleichen Gründen nicht zu beanstanden. 


14  


4. Den hiergegen eingelegten Antrag auf
      Zulassung der Beschwerde wies das Hamburgische
      Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. August 2000
      zurück. Die allein geltend gemachten Zulassungsgründe seien
      nicht gegeben, so dass der Zulassungsantrag abzulehnen sei.
      Von einer weiteren Begründung sah das Gericht "auch in
      Hinblick auf die noch für heute angekündigte
      Verfassungsbeschwerde" ab. 


15  


5. Seinen Antrag auf Erlass einer
      einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG begründete der
      Antragsteller wie folgt: 


16  


Eine Rudolf Heß-Gedenkveranstaltung sei mit
      der angemeldeten Versammlung nicht beabsichtigt. Nachdem er
      seine Anhängerschaft ausdrücklich um eine nur wörtliche
      Verbreitung seines Versammlungsaufrufes gebeten habe, seien
      andere, ihm nicht weiter bekannte, Aufrufe ihm nicht
      zuzurechnen. Außerdem sei er seit dem August 1995 in keiner
      Weise zum Thema Rudolf Heß in Erscheinung getreten. Zu
      vermuten, er würde dies nach fünfjähriger Unterbrechung nun
      auf einmal wollen, sei "lebensfremd und absurd". Dies gelte
      insbesondere im Hinblick auf § 25 VersG, der die
      wesentlich andere Durchführung eines Aufzuges, als bei der
      Anmeldung einer Versammlung angegeben, unter Strafe stelle.
      Da die rechtsextreme Szene inzwischen den ganzen Monat August
      zum "Rudolf-Heß-Aktionsmonat" proklamiert habe, komme die
      Verbotsverfügung einem Verbot, im Monat August zu
      demonstrieren, gleich. 


17  


Hilfsweise beschränkt der Antragsteller sein
      Begehren auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
      seines Widerspruchs nur in Bezug auf die von ihm für den 20.
      August 2000 angemeldete Versammlung. Hierzu trägt er vor,
      dass die genannten Aufrufe dritter Personen lediglich den 19.
      August benennen und dass die Wahrscheinlichkeit, dass die
      Polizei mit den zur Verfügung stehenden Kräften außenstehende
      Störer nicht abwehren könne, für den 20. August 2000 ungleich
      viel weniger wahrscheinlich als für den Vortag sei. 

 

II. 


18  


Der zulässige Antrag auf Erlass einer
      einstweiligen Anordnung hat zum Teil Erfolg. 


19  


1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das
      Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch
      einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr
      schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder
      aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend
      geboten ist. Wegen der meist weit tragenden Folgen, die eine
      einstweilige Anordnung in einem verfassungsgerichtlichen
      Verfahren auslöst, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen
      des § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab anzulegen
      (vgl. BVerfGE 87, 107 <111>; stRspr). Dabei haben die
      Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen
      Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht
      zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erweist
      sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich
      unbegründet. Bei offenem Ausgang des
      Verfassungsbeschwerdeverfahrens muss das
      Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten würden,
      wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die
      Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den
      Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte
      einstweilige Anordnung erlassen würde, der
      Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl.
      BVerfGE 71, 158 <161>; 88, 185 <186>; 91, 252
      <257 f.>; stRspr). Hierbei hat es mit Blick auf
      die einschlägigen Grundrechte sowohl der Bedeutung der
      jeweils betroffenen Schutzgüter als auch dem Grad der
      Wahrscheinlichkeit und dem Ausmaß möglicher
      Beeinträchtigungen Rechnung zu tragen. 


20  


2. Der Antrag ist weder unzulässig noch
      offensichtlich unbegründet. Es kann erst in einem
      Hauptsacheverfahren abschließend geklärt werden, ob die
      Einschätzung des Geschehensablaufs und die Gefahrenprognose,
      auf die die Entscheidung der Behörde und der
      Verwaltungsgerichte gestützt worden sind, den Anforderungen
      von Art. 8 GG genügten (vgl. hierzu BVerfGE 69, 315
      <342 ff.>; 87, 399 <406 ff.>). 


21  


3. Die demnach gebotene Beurteilung und
      Abwägung der Folgen, die im Falle des Erfolgs oder
      Misserfolgs des Antrags einträten, führt im vorliegenden
      Verfahren zu einem Überwiegen derjenigen Gründe, die für den
      Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechen, die die
      aufschiebende Wirkung des Widerspruchs begrenzt wieder
      herstellt. 


22  


a) Bliebe die sofortige Vollziehbarkeit des
      Verbots der Demonstration in vollem Umfang bestehen, hätte
      eine Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg, so wäre der
      Antragsteller um die Möglichkeit gebracht worden, von dem ihm
      zustehenden Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in der
      gewünschten Weise Gebrauch zu machen. Könnte die Versammlung
      wie geplant stattfinden, erwiese sich eine
      Verfassungsbeschwerde später aber als unbegründet, so wäre
      die Versammlung durchgeführt worden, obwohl von ihr
      erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und
      Ordnung ausgingen, die die Behörde zum Erlass der
      Verbotsverfügung berechtigt haben. 


23  


Im Zuge der anzustellenden Folgenabwägung ist
      es in Verfahren der vorliegenden Art für das
      Bundesverfassungsgericht regelmäßig ausgeschlossen, in eine
      eigenständige Ermittlung und Würdigung des dem
      Eilrechtsschutzbegehren zu Grunde liegenden Sachverhalts
      einzutreten. Dies gilt insbesondere dann, wenn es - wie auch
      im vorliegenden Verfahren - bereits aus Zeitgründen
      ausscheidet, behördliche und fachgerichtliche Akten
      heranzuziehen sowie Stellungnahmen sämtlicher Beteiligter
      einzuholen und diese auszuwerten. In Fällen dieser Art hat
      das Bundesverfassungsgericht seiner Abwägung in aller Regel
      die Tatsachenfeststellungen und Tatsachenwürdigungen in den
      angegriffenen Entscheidungen zu Grunde zu legen (vgl. hierzu
      etwa BVerfGE 34, 211 <216>; 36, 37 <40>; BVerfG,
      EuGRZ 1997, S. 522). Anderes gilt nur dann, wenn die
      getroffenen Tatsachenfeststellungen offensichtlich fehlsam
      sind oder die angestellte Tatsachenwürdigung unter
      Berücksichtigung der betroffenen Grundrechtsnorm
      offensichtlich nicht trägt. Dies ist insbesondere der Fall,
      wenn die Gefahrenprognose auf Umstände gestützt wird, deren
      Berücksichtigung dem Schutzgehalt des Art. 8 GG
      offensichtlich widerspricht. 


24  


b) Die Versammlungsbehörde befürchtet eine
      Umwidmung der Veranstaltung zu einer Rudolf
      Heß-Gedenkveranstaltung und damit verbunden die Begehung von
      Straftaten, wie sie bei solchen Veranstaltungen
      erfahrungsgemäß vorkommen. Ferner sieht sie auf Grund der
      Ortswahl die öffentliche Ordnung gefährdet. Schließlich
      rechnet sie mit gewalttätigen Gegendemonstrationen und beruft
      sich für ihr Verbot hilfsweise auf polizeilichen
      Notstand. 


25  


Diese Gesichtspunkte tragen den Sofortvollzug
      des Verbots nicht in vollem Ausmaß. 


26  


aa) Die Folgenabwägung kann nicht auf die
      Annahme gestützt werden, von der geplanten Versammlung gehe
      das Risiko von Gewalttätigkeiten aus. Das Verbot ist nämlich
      nicht unter Hinweis auf Gewalttätigkeiten begründet worden,
      die von der Versammlung selbst ausgehen könnten. Ohne dadurch
      die gegenwärtig in vielen Orten der Bundesrepublik
      Deutschland beobachtbare, von Rechtsextremisten ausgehende
      Gewaltausübung zu übersehen, unterscheidet die
      Versammlungsbehörde zu Recht zwischen solchen Gewalttaten und
      der Frage, ob Gewalt bei Versammlungen rechtsextremer Gruppen
      von diesen auszugehen droht. 


27  


bb) Die Abwägung kann auch nicht auf mögliche
      Folgen gestützt werden, die auf der Annahme beruhen, es
      handele sich bei der Anmeldung um die Tarnung einer in
      Wahrheit geplanten oder zu erwartenden Rudolf
      Heß-Gedenkveranstaltung. 


28  


(1) Das Verbot der Versammlung wegen Verstoßes
      gegen die öffentliche Sicherheit beruht auf der Einschätzung,
      bei der geplanten Versammlung handele es sich um eine
      getarnte Rudolf Heß-Gedenkveranstaltung oder der Veranstalter
      werde eine solche Umwidmung zumindest billigend in Kauf
      nehmen, so dass die für solche Gedenkveranstaltungen
      typischen Straftaten zu erwarten seien. Diese Einschätzung
      trägt dem Gesichtspunkt einer grundrechtskonformen Bewertung
      der Umstände nicht hinreichend Rechnung. Zwar benennt die
      Behörde plausible Anhaltspunkte, die für die Möglichkeit
      einer solchen Umwidmung sprechen. Die Behörde setzt sich aber
      nicht mit den ebenfalls vorhandenen Gegenindizien
      auseinander. 


29  


Das äußere Erscheinungsbild - abgesehen von
      der zeitlichen Lage - spricht nicht für eine Rudolf
      Heß-Gedenkveranstaltung. Die geplante Versammlung sollte den
      Titel tragen: "Gegen Lügen und Hetze der BILD-Zeitung -
      Enteignet Springer". Die erste Anmeldung erfolgte am 3.
      August 2000, dem Tag, an dem der Artikel der BILD-Zeitung
      erschienen war, der sich kritisch auch mit dem Antragsteller
      auseinander setzte und den dieser nach seinen Angaben zum
      Anlass und Gegenstand der Demonstration wählen wollte. Die
      geplante Route führte an dem Axel-Springer-Platz und damit
      dem Sitz des Axel-Springer-Verlages in Hamburg vorbei; dort
      sollte die "Hauptkundgebung" des Aufzuges stattfinden. Bei
      einem Gespräch der Versammlungsbehörde mit dem Antragsteller
      über Veränderungen der Route lehnte der Antragsteller dies
      nicht grundsätzlich ab, erklärte aber die Einbeziehung des
      Axel-Springer-Platzes für unverzichtbar. In einem Schreiben
      vom 3. August 2000 an seine Anhänger bat der Antragsteller
      ausdrücklich darum, "von Meinungsbekundungen zum Todestag von
      Rudolf Heß Abstand zu nehmen". Diese Linie geäußerter
      Distanzierung von einer Gedenkveranstaltung hielt er in den
      anschließenden Anträgen in den gerichtlichen Verfahren
      bei. 


30  


Die Ausrichtung der angemeldeten Versammlung
      auf den Protest gegen die Berichterstattung der BILD-Zeitung
      und die öffentliche Distanzierung des Veranstalters von
      möglichen Versuchen einer Umwidmung zu einer Rudolf
      Heß-Gedenkveranstaltung schließen allerdings nicht zwingend
      aus, dass diese Faktoren Teil einer Strategie der Tarnung
      anderer Anliegen sind. Auch sind Veranstaltungen aus der
      rechtsextremistischen Szene schon häufiger unter einem
      anderen Thema angekündigt worden, als es später umgesetzt
      wurde. Dies gilt allerdings nicht generell für Versammlungen
      aus diesem Umfeld, so dass pauschalierende Deutungen
      ausscheiden. 


31  


Die Annahme einer Tarnung einer Rudolf
      Heß-Gedenkveranstaltung durch die Art der Anmeldung kann nur
      zur Grundlage eines Versammlungsverbots genommen werden, wenn
      die Versammlungsbehörde konkrete, auf diese Versammlung
      bezogene Indizien der Tarnabsicht hat und unter
      Berücksichtigung möglicher Gegenindizien begründet, warum
      diesen kein maßgebendes Gewicht beizumessen ist. Bei der
      Deutung des geplanten inhaltlichen Anliegens muss das
      Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über Art und Inhalt
      der Veranstaltung (vgl. BVerfGE 69, 315 <343>)
      berücksichtigt werden. Die Prüfung der Voraussetzungen eines
      Versammlungsverbots hat von den Angaben der Anmeldung
      auszugehen, es sei denn, es dränge sich auch bei
      grundrechtskonformer Deutung des Vorhabens der Eindruck auf,
      in Wahrheit sei ein anderer Inhalt geplant und der
      Veranstalter werde trotz der gesetzlichen Strafdrohung
      (§ 25 Nr. 1 VersG) eine Versammlung anderen Inhalts und
      damit anderen Gefahrenpotentials durchführen als
      angemeldet. 


32  


Diesen Anforderungen sind die Behörde sowie
      die Verwaltungsgerichte nicht gerecht geworden. Die Behörde
      hat sich mit den Gegenindizien nicht auseinander gesetzt und
      sie daher nicht in Gegenüberstellung mit den Indizien für
      einen Tarncharakter gedeutet. Das Verwaltungsgericht - dem
      sich das Oberverwaltungsgericht pauschal angeschlossen hat -
      hat sich die Argumentation der Behörde zu Eigen gemacht und
      speziell zu der verbalen Distanzierung des Antragstellers von
      einer auf das Rudolf Heß-Gedenken gerichteten Zielsetzung
      ausgeführt, dass es dem Antragsteller nicht zu glauben
      vermöge; sein persönlicher Werdegang und die Aktivitäten der
      rechtsextremistischen Szene sprächen dagegen. In dieser
      Argumentation verkennt das Verwaltungsgericht das Verhältnis
      zwischen der grundrechtlichen Garantie und der
      Beschränkungsmöglichkeit. Beschränkungen setzen eine
      hinreichende Rechtfertigung im Tatsächlichen voraus. Die
      Beweislast für die Tarnung eines das Verbot rechtfertigenden
      Inhalts und damit eine täuschende Anmeldung liegt bei der
      Verwaltung. Die Tatsachenfeststellung fehlender
      Glaubwürdigkeit bedarf auch im Eilverfahren konkreter
      Anhaltspunkte, etwa des Hinweises auf frühere Täuschungen
      durch den Antragsteller. Daran fehlt es. 


33  


(2) Die Behörde und die Gerichte gehen
      hilfsweise davon aus, dass der Antragsteller, wenn der Aufzug
      von anderen zu einer Rudolf Heß-Gedenkveranstaltung
      umfunktioniert werden sollte, weder mit Nachdruck
      gegensteuern wolle noch dies bei einer erhöhten
      Teilnehmerzahl könne. Aber auch hierfür werden Anhaltspunkte,
      die dem Maßstab des Art. 8 GG Rechnung tragen, nicht
      benannt. 


34  


(3) Steht Art. 8 GG im konkreten Fall der
      Heranziehung der Annahme einer geplanten oder billigend in
      Kauf genommenen Umwidmung der Versammlung entgegen, dann darf
      die Prognose der von der Versammlung ausgehenden Gefahr nicht
      auf sie gestützt werden. Dies ist auch für die Abwägung der
      Folgen im Eilverfahren bedeutsam. 


35  


cc) Ebenfalls außer Betracht zu bleiben haben
      die von der Behörde angenommenen Gefahren für die öffentliche
      Ordnung, da auch sie auf der Annahme einer Rudolf
      Heß-Gedenkveranstaltung aufbauen. Auf die Frage, wieweit ein
      Versammlungsverbot auf einen Verstoß gegen die öffentliche
      Ordnung gestützt werden kann (vgl. BVerfGE 69, 315
      <353>), kommt es daher nicht mehr an. 


36  


dd) Demgegenüber können die weiteren
      Feststellungen der Behörde zur Begründung eines polizeilichen
      Notstands auch für die Folgenabwägung im Rahmen des
      Eilverfahrens herangezogen werden. Sie reichen aus, um den
      sofortigen Vollzug der Verbotsverfügung teilweise aufrecht zu
      erhalten. 


37  


(1) Das Bundesverfassungsgericht ist in diesem
      Eilverfahren nicht in der Lage, die Angaben der
      Versammlungsbehörde über die erwartete Zahl und das
      Gewaltpotential der Gegendemonstranten sowie über die
      erforderlichen polizeilichen Gegenmaßnahmen und die dafür
      verfügbaren Mittel in tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen.
      Die Annahmen der Behörde über die Gefahren der Verletzung von
      Leib und Leben von Polizeibeamten, Passanten und Reisenden
      sowie Demonstranten und über Beschädigungen von Sachen von
      erheblichem Wert rechtfertigen den Schluss auf eine
      unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Auch die
      Angaben über Art und Ausmaß erforderlicher Gegenmaßnahmen und
      zur Überlastung der Polizei können als Grundlage der
      Folgenabwägung des Bundesverfassungsgerichts herangezogen
      werden. 


38  


(2) In diese Folgenabwägung dürfen aber keine
      Annahmen über Gefahren eingehen, deren Eintritt bei
      Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
      ausgeschlossen werden kann. Die Gefahrenlage ist am 19.
      August 2000 offensichtlich in nicht unerheblichem Maße eine
      teilweise andere als am 20. August 2000. Die Gefahren können
      bei einer Durchführung der Versammlung am 20. August 2000 und
      ihrer Beschränkung auf eine stationäre sowie durch Auflagen
      so weit verringert werden, dass ein Versammlungsverbot wegen
      polizeilichen Notstands ausscheidet. Vermeidbare Gefahren
      aber dürfen auch nicht der Folgenabwägung im Eilverfahren
      zugrunde gelegt werden. 


39  


() Eine unterschiedliche Bewertung der
      polizeilichen Lage an den beiden Tagen ist deshalb angezeigt,
      weil eine Demonstration in dem Innenbereich einer Großstadt
      an einem Samstag zu Zeiten der Öffnung der meisten Geschäfte
      anders zu verlaufen pflegt als an einem Sonntag. Auch sind
      die polizeilichen Möglichkeiten in einer von Feiertagsruhe
      geprägten Innenstadt andere als zu Zeiten der
      Geschäftsöffnung. Nach den eigenen Angaben der Behörde ist
      die Belastung ihres Personals durch konkrete Aufgaben bei
      Großveranstaltungen am Sonntag, dem 20. August 2000, im
      Übrigen erheblich geringer als am vorangehenden Samstag. 


40  


Die Möglichkeit von Auflagen mit der Folge der
      Begrenzung der Versammlung auf eine stationäre am
      Axel-Springer-Platz hat die Behörde zwar geprüft, der Prüfung
      aber die Einschätzung zugrunde gelegt, dies würde keinen
      entscheidend geringeren Kräftebedarf bewirken. Dass der
      Schutz einer stationären, auf einen abgrenzbaren Platz
      festgelegten und auf zwei Stunden begrenzten Versammlung
      unter Einschluss der An- und Abmarschphase polizeiliches
      Personal in gleichem Ausmaß fordert wie der eines
      vierstündigen, 2,6 km langen und sich im Kern einer Großstadt
      bewegenden Aufzuges, ist nicht nachvollziehbar. 


41  


() Art. 8 GG erlaubt Beschränkungen aus dem
      Gesichtspunkt polizeilichen Notstands. Die
      versammlungsbehördliche Berufung auf diesen Verbotsgrund
      führt dazu, dass der Träger des Grundrechts auf die
      Verwirklichung der Versammlungsfreiheit im Interesse des
      Schutzes anderer zu verzichten hat. Muss mit gewalttätigen
      Gegenaktionen gerechnet werden, so ist es allerdings häufig
      zumutbar und liegt regelhaft auch in seinem Interesse, wenn
      die Versammlung gegebenenfalls auf einen anderen Zeitpunkt
      verschoben wird. Ist aber zu erwarten, dass die Durchführung
      der Versammlung zu anderen Zeitpunkten ebenfalls zu
      entsprechenden Gegenaktionen und damit immer wieder zur
      Situation polizeilichen Notstands führen wird, besteht das
      Risiko, dass der davon betroffene Grundrechtsträger auf Dauer
      an der Verwirklichung seines Freiheitsrechts gehindert wird.
      Diese Situation kann entstehen, wenn - wie gegenwärtig in
      Hamburg - jede Absicht zur Durchführung rechtsextremistischer
      Demonstrationen mit Gegenaktionen gewaltbereiter Personen des
      linken politischen Spektrums beantwortet wird. Das
      Grundgesetz verwirklicht zwar eine auf die Abwehr von
      Gefahren für den Rechtsstaat und die Demokratie gerichtete
      Ordnung; es besteht aber auf der Einhaltung der Regeln des
      Rechtsstaats, den es zu verteidigen gilt. Gewalt von "links"
      ist keine verfassungsrechtlich hinnehmbare Antwort auf eine
      Bedrohung der rechtsstaatlichen Ordnung von "rechts". Drohen
      Gewalttaten als Gegenreaktion auf Versammlungen, so ist es
      Aufgabe der zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung
      berufenen Polizei, in unparteiischer Weise auf die
      Verwirklichung des Versammlungsrechts hinzuwirken. 


42  


Hierzu gehört auch die Prüfung, ob ein
      polizeilicher Notstand durch Modifikation der
      Versammlungsmodalitäten entfallen kann, ohne dadurch den
      konkreten Zweck der Versammlung zu vereiteln. Signalisiert
      der Veranstalter seine Bereitschaft zur Veränderung der
      Versammlungsmodalitäten, ist die Versammlungsbehörde im
      Rahmen ihrer Kooperationspflicht (vgl. BVerfGE 69, 315
      <357>) gehalten, diesen Möglichkeiten nachzugehen und
      nach Wegen zu suchen, die Versammlung gegen Gefahren zu
      schützen, die nicht von ihr selbst ausgehen. Erklärt der
      Veranstalter dabei einen Versammlungsort, der einen besonders
      nahen Bezug zum Versammlungsthema hat, für unverzichtbar,
      dann darf diese Alternative nur ausgeschlossen werden, wenn
      sie keine polizeilich vertretbare Möglichkeit zur Vermeidung
      einer Lage polizeilichen Notstands belässt. 


43  


c) Gibt es Möglichkeiten, unmittelbar
      bevorstehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit durch
      Modifikation des Versammlungsablaufs zu vermeiden, dann ist
      dies auch für die Folgenabwägung im Rahmen des Eilverfahrens
      bedeutsam. Das Bundesverfassungsgericht darf Folgen nicht
      berücksichtigen, deren Eintritt bei entsprechenden
      hoheitlichen Vorgaben vermeidbar ist. 


44  


Bleiben daher die bei einer Modifikation der
      Versammlungsmodalitäten und dem Einsatz geeigneter
      polizeilicher Mittel vermeidbaren Gefahren für die
      öffentliche Sicherheit in der Folgenabwägung außer Betracht,
      überwiegen diejenigen Nachteile, die bei einer Sofortwirkung
      des Versammlungsverbots eintreten, solche Nachteile, die bei
      der Durchführung der Versammlung auch für den Fall zu
      erwarten sind, dass das Versammlungsverbot zu Recht ergangen
      ist. 


45  


4. Es ist Aufgabe der Versammlungsbehörde und
      der Fachgerichte, die Anforderungen des
      Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfüllen, und zwar auch in
      der Entscheidung über die sofortige Vollziehung einer
      Verbotsverfügung, soweit sie inhaltlich durch Art. 8 GG
      beeinflusst wird. 


46  


Verletzt die sofortige Vollziehung eines
      Versammlungsverbots Art. 8 GG, so können die Fachgerichte
      sich in einem Fall wie dem Vorliegenden nicht auf die
      Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs
      beschränken. Dies würde zur Durchführung der angemeldeten,
      also nicht modifizierten Versammlung führen und könnte damit
      Gefahren entstehen lassen, die durch Modifikation der
      Versammlungsmodalitäten beseitigt werden sollen, die
      ihrerseits Voraussetzung der Anordnung der aufschiebenden
      Wirkung ist. Angesichts der größeren Sachnähe der
      Versammlungsbehörde und des im gerichtlichen Eilverfahren
      meist großen Zeitdrucks, der auch die Fachgerichte an einer
      hinreichenden Aufklärung des Sachverhalts hindern kann, ist
      es im Regelfall geboten, der Versammlungsbehörde den Erlass
      notwendiger Auflagen zum Ausschluss von Gefahren aufzugeben.
      Es kommt aber auch die Wiederherstellung der aufschiebenden
      Wirkung durch das Fachgericht mit Modifikationen nach
      § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO in Betracht. Von entsprechenden
      Entscheidungen zur Sicherung der Verhältnismäßigkeit dürfen
      die in der Regel ortsnäheren Gerichte nicht mit Rücksicht
      darauf absehen, dass sie ohnehin die Einlegung einer
      Verfassungsbeschwerde erwarten. 


47  


Die Verwaltungsbehörde und die
      Verwaltungsgerichte haben im vorliegenden Fall keine
      Vorkehrungen zur Sicherung der Verhältnismäßigkeit durch
      Modifikationen des Verbots bzw. der Anordnung der sofortigen
      Vollziehung getroffen. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des
      Bundesverfassungsgerichts, in solchen Fällen seinerseits
      Auflagen anzuordnen. Hält es Auflagen für erforderlich, teilt
      es dies in den Gründen seines Beschlusses mit. Benötigt die
      Versammlungsbehörde für die Umsetzung auch unter
      Berücksichtigung des Gebots zügiger Entscheidung mehr Zeit,
      als bis zu dem geplanten Versammlungszeitpunkt verfügbar ist,
      muss die Versammlung gegebenenfalls - ein fortbestehendes
      Interesse des Veranstalters vorausgesetzt - auf einen anderen
      Zeitpunkt verschoben werden. 


48  


Im vorliegenden Fall verbindet das
      Bundesverfassungsgericht aber angesichts der offensichtlichen
      Fehlerhaftigkeit der Vorentscheidungen ausnahmsweise die
      Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs
      mit den im Tenor aufgeführten inhaltlichen Maßgaben. 


49  


5. Die Entscheidung über die Erstattung der
      Auslagen beruht auf § 34 a Abs. 3 BVerfGG. 


   




 


Papier 
Hömig 
Hoffmann-Riem