Fall 26
Aktenzeichen: 1 BvQ 22/01
Beck Online: NJW 2001 2076.0

cid 26 
 BUNDESVERFASSUNGSGERICHT 
- 1 BvQ 22/01 - 

 

 

 

Im Namen des Volkes 

 

In dem Verfahren 
      über 
      den Antrag, 
      im Wege der einstweiligen Anordnung 

 

unter Aufhebung des Beschlusses des
      Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom
      30. April 2001 - 5 B 585/01 - die aufschiebende Wirkung des
      Widerspruchs gegen die Verbotsverfügung des Polizeipräsidiums
      Essen vom 3. April 2001 wieder herzustellen. 


   




Antragstellerin: 
Nationaldemokratische Partei
          Deutschlands, 
          Landesverband Nordrhein-Westfalen, 




   



        - Bevollmächtigter:
       

        Rechtsanwalt Dr. Hans Günter Eisenecker, 
        Dorfstraße 22, 19260 Goldenbow -
       


   


hat die 1. Kammer des Ersten Senats des
      Bundesverfassungsgerichts durch 
den Vizepräsidenten Papier 
      und die Richter Steiner, 
      Hoffmann-Riem 


   


gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit
      § 93 d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung
      vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 1. Mai 2001
      einstimmig beschlossen: 


   



Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
        der Antragstellerin gegen die Verfügung des
        Polizeipräsidiums Essen vom 3. April 2001 wird nach Maßgabe
        von Nr. 1 des Tenors des Beschlusses des
        Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 30. April 2001 - 14 L
        830/01 - wieder hergestellt.
                             Das Land Nordrhein-Westfalen hat der
        Antragstellerin deren notwendige Auslagen zu
        erstatten.
                          


   


Gründe: 


1  


Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen
      Anordnung betrifft ein für sofort vollziehbar erklärtes
      Versammlungsverbot. Die Kammer hat die Begründung ihrer
      Entscheidung gemäß § 32 Abs. 5 in Verbindung mit
      § 93 d Abs. 2 BVerfGG nach Bekanntgabe des Beschlusses
      schriftlich abgefasst. 

 

I. 


2  


1. a) Die Antragstellerin meldete im März
      diesen Jahres bei der Versammlungsbehörde für den 1. Mai 2001
      eine Demonstration mit Kundgebung zum Thema "Gegen
      Sozialdumping und Massenarbeitslosigkeit" an. Die Versammlung
      soll in der Innenstadt von Essen stattfinden. Es werden etwa
      500 Teilnehmer erwartet. 


3  


b) Mit Bescheid vom 3. April 2001 verfügte die
      Versammlungsbehörde gemäß § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz
      (VersG) ein Verbot der angemeldeten Versammlung sowie aller
      gleich gelagerten Ersatzveranstaltungen im Stadtgebiet von
      Essen. Sie ordnete zugleich die sofortige Vollziehung dieser
      Verfügung an. Für den Fall der Wiederherstellung der
      aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen diese
      Verfügung durch gerichtliche Eilrechtsschutzentscheidung
      setzte sie außerdem in Bezug auf die angemeldete Versammlung
      mehrere Auflagen fest und erklärte auch diese für sofort
      vollziehbar. 


4  


Zur Begründung ihrer Verbotsverfügung führte
      die Versammlungsbehörde aus, dass die Durchführung der
      angemeldeten Versammlung zu einer Gefahr für die öffentliche
      Ordnung führen würde. Dem 1. Mai komme ein in der
      Gesellschaft eindeutiger Sinngehalt mit gewichtiger
      Symbolkraft zu. Sein Charakter beruhe auf dem historischen
      Engagement der sozialistisch orientierten Arbeiterbewegung.
      Mit seiner Anerkennung als gesetzlicher Feiertag würdige der
      Gesetzgeber den Beitrag der Arbeiterbewegung zur Begründung
      einer freiheitlichen Demokratie. Eine Demonstration der NPD,
      die sich des Symbolcharakters des 1. Mai bediene, rufe
      zwangsläufig Assoziationen an die Pervertierung und
      Instrumentalisierung des Feiertags der Arbeiterbewegung durch
      das nationalsozialistische Regime hervor. Sie erinnere damit
      gleichzeitig an die Niederlage und Unterdrückung der
      Arbeiterbewegung im Dritten Reich. Dies gelte in besonderem
      Maße für die Stadt Essen, die zu den Hauptzielen
      nationalsozialistischer Repression gegen die Gewerkschaften
      gezählt habe. Zwischen der Denk- und Redeweise sowie den
      politischen Konzepten der NPD einerseits und dem
      Nationalsozialismus des Dritten Reichs andererseits bestehe
      eine auffallende Ähnlichkeit. Die NPD und die frühere NSDAP
      seien nach jüngerer Einschätzung der Bundesregierung
      wesensverwandt. Eine Demonstration der NPD am 1. Mai in Essen
      wäre daher geeignet, die Empfindungen vieler Menschen zu
      verletzen, die in der Tradition der Arbeiterbewegung stehen.
      Sie würde als Provokation empfunden und liefe damit darauf
      hinaus, den öffentlichen Frieden bewusst zu stören. 


5  


c) Die Antragstellerin legte gegen die
      Verfügung der Versammlungsbehörde Widerspruch ein und stellte
      darüber hinaus beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf
      Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des
      Widerspruchs. Das Verwaltungsgericht entsprach dem Antrag in
      Bezug auf die Verbotsverfügung sowie hinsichtlich eines
      Teiles der für diesen Fall vorsorglich festgesetzten
      Auflagen. Dem 1. Mai werde im Bewusstsein der Bevölkerung
      Essens nicht die von der Versammlungsbehörde angenommene
      besondere Symbolwirkung zugeschrieben, die angesichts der
      Geschehnisse zu Zeiten des nationalsozialistischen Regimes
      die Einschätzung rechtfertige, die Durchführung einer
      Versammlung der NPD an diesem Tag werde allgemein als
      bewusste, den öffentlichen Frieden störende Provokation
      empfunden. Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die es
      ermöglichte, die angemeldete Versammlung vollständig zu
      verbieten, bestehe daher nicht. 


6  


d) Auf Antrag der Versammlungsbehörde ließ das
      Oberverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Beschluss des
      Verwaltungsgerichts zu und lehnte unter Abänderung der
      verwaltungsgerichtlichen Entscheidung den
      Eilrechtsschutzantrag der Antragstellerin ab. Von der
      angemeldeten Versammlung gehe eine unmittelbare Gefährdung
      der öffentlichen Ordnung aus. Unter ausdrücklicher Kritik an
      der Rechtsprechung der 1. Kammer des Ersten Senats des
      Bundesverfassungsgerichts - insbesondere an den Beschlüssen
      vom 24. März 2001 (1 BvQ 13/01) und vom 12. April 2001 (1 BvQ
      19/01 sowie 1 BvQ 20/01) - hält das Oberverwaltungsgericht an
      seiner in früheren Entscheidungen niedergelegten
      Rechtsauffassung fest, nach der das öffentliche Auftreten
      neonazistischer Gruppierungen und die Verbreitung
      nationalsozialistischen Gedankenguts in öffentlichen
      Versammlungen und Aufzügen auch insoweit, als sie die
      Strafbarkeitsschwelle nicht überschreiten, an jedem Tag des
      Jahres verhindert werden dürfen. Der Ausschluss
      neonazistischen Gedankenguts aus dem demokratischen
      Willensbildungsprozess sei ein aus der historisch bedingten
      Werteordnung des Grundgesetzes ableitbarer Verfassungsbelang,
      der geeignet sei, die Freiheit der Meinungsäußerung, bezogen
      und beschränkt auf dieses Gedankengut, auch jenseits
      verfassungsrechtlicher Verbots- und Verwirkungsentscheidungen
      nach Art. 21 Abs. 2, Art. 18 Satz 2 GG inhaltlich zu
      begrenzen. Angesichts der nahezu unüberwindbaren Hürden, die
      das Bundesverfassungsgericht insoweit aufgestellt habe,
      könnten jene Vorkehrungen in der Verfassungswirklichkeit nur
      in den seltensten Fällen ihre Schutzwirkung entfalten. Ein
      vollständiges Verbot der geplanten Versammlung sei
      gerechtfertigt. Die Antragstellerin nehme nach dem
      übereinstimmenden Votum der Verfassungsorgane Bundestag,
      Bundesrat und Bundesregierung, deren Einschätzung der
      beschließende Senat folge, eine aktiv-kämpferische,
      aggressive Grundhaltung ein, mit der sie die freiheitliche
      demokratische Grundordnung des Grundgesetzes überwinden
      wolle. Diese Haltung werde auch die geplante Versammlung
      prägen. 


7  


2. Die Antragstellerin beantragt den Erlass
      einer einstweiligen Anordnung. Sie begehrt die
      Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres
      Widerspruchs gegen die versammlungsbehördliche
      Verbotsverfügung. Ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus
      werde von ihr nicht abgegeben. Die Annahmen des
      Oberverwaltungsgerichts seien weder mit Grundrechten noch mit
      dem Parteienprivileg des Art. 21 GG zu vereinbaren. 

 

II. 


8  


Der zulässige Antrag auf Erlass einer
      einstweiligen Anordnung hat Erfolg. 


9  


1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das
      Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch
      einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr
      schwerer Nachteile dringend geboten ist. Bei - wie hier -
      offenem Ausgang eines noch möglichen
      Verfassungsbeschwerdeverfahrens muss das
      Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten würden,
      wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die
      Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den
      Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte
      einstweilige Anordnung erlassen würde, der
      Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl.
      BVerfGE 71, 158 <161>; 88, 185 <186>; 91, 252
      <257 f.>; 94, 166 <217>; 96, 120
      <128 f.>; stRspr). 


10  


2. Vorliegend führt die Abwägung zu einem
      Überwiegen derjenigen Gründe, die für den Erlass einer
      einstweiligen Anordnung sprechen. 


11  


a) Bliebe die sofortige Vollziehbarkeit des
      Versammlungsverbots bestehen, hätte eine
      Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg, wäre die
      Antragstellerin um die Möglichkeit gebracht worden, von den
      ihr zustehenden Grundrechten der Versammlungsfreiheit und
      Meinungsfreiheit in der gewünschten Weise Gebrauch zu machen.
      Könnte die Versammlung wie geplant stattfinden, erwiese sich
      eine Verfassungsbeschwerde später aber als unbegründet, so
      wäre die Versammlung durchgeführt worden, obwohl mit ihr nach
      der Einschätzung der Versammlungsbehörde erhebliche Gefahren
      für die öffentliche Ordnung verbunden wären. 


12  


b) Im Zuge der anzustellenden Abwägung der
      Folgen einer möglichen Entscheidung ist es in Verfahren der
      vorliegenden Art für das Bundesverfassungsgericht regelmäßig
      ausgeschlossen, in eine eigenständige Ermittlung und
      Würdigung des dem Eilrechtsschutzbegehren zu Grunde liegenden
      Sachverhalts einzutreten. In Fällen dieser Art hat das
      Bundesverfassungsgericht seiner Abwägung in aller Regel die
      Tatsachenfeststellungen und Tatsachenwürdigungen in den
      angegriffenen Entscheidungen zu Grunde zu legen (vgl. hierzu
      etwa BVerfGE 34, 211 <216>; 36, 37 <40>; BVerfG,
      1. Kammer des Ersten Senats, NJW 2000, S. 3051 <3052>).
      Angesichts der Zeitgebundenheit der meisten Versammlungen
      muss Grundrechtsschutz aber auch im Eilverfahren gewährt
      werden (vgl. auch BVerfGE 69, 315 <340, 364>). Das
      Gericht kann sich daher nicht allein auf die angegriffenen
      Entscheidungen stützen, wenn offensichtlich ist, dass die
      angestellte Tatsachenwürdigung unter Berücksichtigung des
      Schutzgehalts der betroffenen Grundrechtsnorm nicht tragfähig
      ist. Einstweiliger Rechtsschutz ist insbesondere zu gewähren,
      wenn die Gefahrenprognose auf Umstände gestützt wird, deren
      Berücksichtigung dem Schutzgehalt des Art. 8 GG
      offensichtlich widerspricht oder wenn das für eine
      Einschränkung der Versammlungsfreiheit herangezogene
      Schutzgut und die angewandten Normen in rechtlicher Hinsicht
      die Einschränkung offensichtlich nicht tragen (vgl. BVerfG,
      1. Kammer des Ersten Senats, DVBl 2001, S. 558
      <558 f.> und Beschluss vom 26. März 2001 - 1 BvQ
      15/01 -). 


13  


3. Die Argumentation der Versammlungsbehörde
      und des Oberverwaltungsgerichts ist anhand der Maßstäbe zur
      Überprüfung im Rahmen des Eilrechtsschutzverfahrens in
      rechtlicher Hinsicht offensichtlich nicht tragfähig. 


14  


a) Das Oberverwaltungsgericht verkennt die
      Sperrwirkung des Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG. Nach dieser
      Bestimmung entscheidet über die Verfassungswidrigkeit einer
      Partei das Bundesverfassungsgericht. Hierbei handelt es sich
      nicht um eine bloße Zuständigkeitsregelung, sondern - in
      Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 GG - um eine Privilegierung der
      politischen Parteien gegenüber den übrigen Vereinigungen und
      Verbänden (vgl. BVerfGE 2, 1 <13>; 47, 198
      <228>). Das Entscheidungsmonopol des
      Bundesverfassungsgerichts schließt ein administratives
      Einschreiten gegen den Bestand einer politischen Partei
      schlechthin aus, mag sie sich gegenüber der freiheitlichen
      demokratischen Grundordnung noch so feindlich verhalten (vgl.
      BVerfGE 40, 287 <291>; 47, 198 <228>). Die Partei
      kann zwar politisch bekämpft werden. Sie soll aber in ihrer
      politischen Aktivität von jeder rechtlichen Behinderung frei
      sein, soweit sie mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitet
      (vgl. BVerfGE 12, 296 <305 ff.>; 39, 334
      <357>; 40, 287 <291>; 47, 130 <139>; 47,
      198 <228>; stRspr). Das Grundgesetz nimmt die Gefahr,
      die in der Tätigkeit einer Partei bis zur Feststellung ihrer
      Verfassungswidrigkeit besteht, um der politischen Freiheit
      willen in Kauf (vgl. BVerfGE 12, 296 <304 f.>; 39,
      334 <357>; 40, 287 <291>). Folglich ist es
      ausgeschlossen, die Grundrechtsausübung der NPD allein mit
      Rücksicht darauf zu unterbinden, dass die von ihr vertretenen
      Inhalte vom Bundestag, vom Bundesrat, von der
      Bundesregierung, von einer Verwaltungsbehörde oder von einem
      Gericht als verfassungswidrig eingeschätzt werden oder dass
      ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
      anhängig ist. Ein Versammlungsverbot kann daher nicht auf die
      Annahme gestützt werden, dass die von der NPD typischerweise
      vertretenen Inhalte der freiheitlichen demokratischen
      Grundordnung widersprechen. Allein darauf aber stützt das
      Oberverwaltungsgericht seine rechtliche Bewertung. Prognosen
      über darüber hinaus gehende, allgemeinen Gesetzen
      widersprechende Verhaltensweisen der Antragstellerin, ihrer
      Funktionäre, Mitglieder oder Anhänger anlässlich der
      Durchführung der angemeldeten Versammlung sind weder in der
      Verfügung der Versammlungsbehörde noch im Beschluss des
      Oberverwaltungsgerichts enthalten. 


15  


b) Die Ausführungen des
      Oberverwaltungsgerichts zur Bestätigung des
      Versammlungsverbots wegen unmittelbarer Gefährdung der
      öffentlichen Ordnung durch die erwartbaren Inhalte der
      Versammlung stehen im Widerspruch zu den Entscheidungen des
      Senats vom 14. Mai 1985 und vom 13. April 1994 (BVerfGE 69,
      315; 90, 241) sowie zu den darauf aufbauenden Entscheidungen
      der 1. Kammer des Ersten Senats (vgl. Beschlüsse vom 24. März
      2001 - 1 BvQ 13/01 - und vom 12. April 2001 - 1 BvQ 19/01
      sowie 1 BvQ 20/01 -). 


16  


Die vom Oberverwaltungsgericht an den
      Ausführungen der Kammer geübte Kritik gibt keinen Anlass, die
      bisherige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu
      korrigieren. Das Oberverwaltungsgericht verkennt den
      Gewährleistungsgehalt der Grundrechte auf Meinungs- und
      Versammlungsfreiheit. Es ist nicht Aufgabe von Gerichten, den
      Inhalt von Meinungsäußerungen zu bewerten, es sei denn, die
      Anwendung der allgemeinen Gesetze fordere eine Bewertung nach
      Maßgabe ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen. Das
      Grundgesetz und die übrige Rechtsordnung verbieten
      Meinungsäußerungen nur unter engen Voraussetzungen. Sind
      diese nicht gegeben, gilt der Grundsatz der Freiheit der
      Rede. Die Kraft eines Rechtsstaats zeigt sich auch daran,
      dass er den Umgang mit seinen Gegnern den allgemein geltenden
      rechtsstaatlichen Grundsätzen unterwirft. Für Verbote von
      Parteien oder die Verwirkung des Grundrechtsschutzes
      bestimmter Personen kennt das Grundgesetz daher formelle und
      materielle Grenzen in den Art. 18 und 21 GG, die nicht
      deshalb außer Acht gelassen werden dürfen, weil ein
      Oberverwaltungsgericht deren Schutzwirkung nicht als
      ausreichend bewertet. Auch dürfen rechtsstaatliche Garantien
      nicht dadurch unterlaufen werden, dass bestimmten Parteien
      oder Personen grundsätzlich der Schutz eines Grundrechts wie
      Art. 8 GG verwehrt wird. Dieses Grundrecht garantiert auch
      Minderheiten Äußerungsmöglichkeiten und unterwirft die
      Bestimmung der Grenzen dem Gesetz. 


17  


Die Absage an den Nationalsozialismus hat das
      Grundgesetz in vielen Normen, wie beispielsweise Art. 139 GG,
      besonders ausgedrückt, aber auch in dem Aufbau allgemeiner
      rechtsstaatlicher Sicherungen dokumentiert, deren Fehlen das
      menschenverachtende Regime des Nationalsozialismus geprägt
      hatte. In der Beachtung rechtsstaatlicher Sicherungen sieht
      das Grundgesetz eine wichtige Garantie gegen ein
      Wiedererstehen eines Unrechtsstaats. 


18  


Zu den rechtsstaatlichen Garantien gehört die
      Versammlungsfreiheit einschließlich ihrer in Art. 8 Abs. 2 GG
      aufgeführten Grenzen. Nach der Rechtsprechung des
      Bundesverfassungsgerichts kommen Versammlungsverbote nur zum
      Schutz elementarer Rechtsgüter in Betracht, während die bloße
      Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Allgemeinen nicht
      genügt (vgl. BVerfGE 69, 315 <353>). Zur Abwehr von
      Gefahren für die öffentliche Ordnung können aber Auflagen
      erlassen werden. Die angegriffenen Entscheidungen der
      Versammlungsbehörde und des Oberverwaltungsgerichts gelten
      jedoch nicht dem Erlass von Auflagen, sondern einem
      Versammlungsverbot. Deshalb liegt es auch neben der Sache,
      wenn das Oberverwaltungsgericht sich zur Begründung seiner
      Auffassung kritisch mit dem Kammerbeschluss vom 26. Januar
      2001 - 1 BvQ 9/01 - befasst, der den Erlass einer Auflage zum
      Schutz der öffentlichen Ordnung betrifft. Unrichtig ist im
      Übrigen die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, in dieser
      Entscheidung sei auf eine konkrete Gefahrenprognose
      verzichtet worden. 


19  


4. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
      wird nach Maßgabe des Tenors des Beschlusses des
      Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 30. April 2001 wieder
      hergestellt. 


20  


Die Bestimmung von Auflagen nach § 15
      VersG ist grundsätzlich Aufgabe der Versammlungsbehörde, die
      auf Grund ihrer Sach- und Ortsnähe am besten beurteilen kann,
      welche Auflagen geeignet, erforderlich und angemessen sind.
      Die Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit obliegt den
      Fachgerichten. Vorliegend sind von der Versammlungsbehörde
      für den Fall der gerichtlichen Wiederherstellung des
      Widerspruchs gegen ihre Verbotsverfügung Auflagen festgesetzt
      worden. Diese sind durch das ortsnahe Verwaltungsgericht
      überwiegend bestätigt worden. Die insoweit getroffene
      Einschätzung der Tauglichkeit der Auflagen zur
      Gefahrenminderung wird der Folgenabwägung im Verfahren gemäß
      § 32 BVerfGG zu Grunde gelegt. 


21  


5. Die Entscheidung über die Erstattung der
      notwendigen Auslagen der Antragstellerin beruht auf § 34
      a Abs. 3 BVerfGG. 


22  


Diese Entscheidung ist unanfechtbar. 


   




Papier 
Steiner 
Hoffmann-Riem