Fall 41
Aktenzeichen: 1 BvR 461/03
Beck Online: BeckRS 2004 22474.0

cid 41 
 L e i t s ä t z e 
zum Beschluss des Ersten Senats vom 3. März
      2004 
- 1 BvR 461/03 - 


                                Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG
        gewährt einen Anspruch auf Rechtsschutz in der Hauptsache
        und nicht nur auf Rechtsschutz im Eilverfahren.
                             
                                Zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse für
        das verwaltungsgerichtliche Hauptsacheverfahren in
        versammlungsrechtlichen Streitigkeiten.
                          


   


BUNDESVERFASSUNGSGERICHT 
- 1 BvR 461/03 - 

 

 

 

Im Namen des Volkes 

 

In dem Verfahren 
      über 
      die Verfassungsbeschwerde 


   


des Herrn W... 


   





gegen
          a) 

den Beschluss des
          Hessischen Verwaltungs gerichtshofs vom 24. Januar 2003
          - 6 UZ 1208/02 - 



b) 

das Urteil des
          Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 7. März 2002
          - 5 E 1925/01(2) - 




   


hat das Bundesverfassungsgericht - Erster
      Senat – unter Mitwirkung 
des Präsidenten Papier, 
      der Richterinnen Jaeger, 
      Haas, 
      der Richter Hömig, 
      Steiner, 
      der Richterin Hohmann-Dennhardt 
      und der Richter Hoffmann-Riem, 
      Bryde 


   


am 3. März 2004 beschlossen: 


   



Der Beschluss des Hessischen
        Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Januar 2003
        - 6 UZ 1208/02 - und das Urteil des
        Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 7. März 2002
        - 5 E 1925/01(2) - verletzen den
        Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19
        Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. 
        Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das
        Verwaltungsgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen.
                             Das Land Hessen hat dem Beschwerdeführer
        seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
                          


   


Gründe: 

 

A. 


1  


Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Verbot
      einer Versammlung. Ihr wesentlicher Gegenstand ist das von
      den Verwaltungsgerichten verneinte Rechtsschutzinteresse für
      die von dem Beschwerdeführer erhobene
      Fortsetzungsfeststellungsklage. 

 

I. 


2  


1. Im Februar 2001 meldete die Klägerin
      zu 1 des Ausgangsverfahrens bei der beklagten Stadt für
      Sonnabend, den 7. April 2001, eine Kundgebung mit Aufzug an,
      die unter dem Thema "Herren im eigenen Land statt Knechte der
      Fremden" stehen sollte. Versammlungsleiterin sollte die
      Klägerin zu 1 sein. Als Redner war unter anderem der
      Beschwerdeführer, der Kläger zu 2 im Ausgangsverfahren,
      vorgesehen, der auch als Helfer fungieren und die Aufgabe
      eines "stellvertretenden Versammlungsleiters" wahrnehmen
      sollte. 


3  


2. Die Beklagte verbot die Demonstration unter
      Anordnung der sofortigen Vollziehung mit der Begründung, die
      Voraussetzungen für ein Versammlungsverbot gemäß § 15
      Abs. 1 des Versammlungsgesetzes (im Folgenden: VersG)
      seien gegeben. Insbesondere die Thematik der Demonstration
      und die Kenntnis bisheriger Verläufe der von der Klägerin
      zu 1 angemeldeten Veranstaltungen sowie die Person des
      Beschwerdeführers, der früher strafrechtlich in Erscheinung
      getreten sei, ließen eine Störung der öffentlichen Ordnung
      durch eine aggressive Ausländerfeindlichkeit befürchten, die
      geeignet sei, Teile der ansässigen Bevölkerung
      einzuschüchtern. 


4  


3. Die Klägerin zu 1 und der
      Beschwerdeführer erhoben gegen die Verbotsverfügung
      Widerspruch und beantragten beim Verwaltungsgericht die
      Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres
      Rechtsbehelfs. Dem wurde durch Beschluss des
      Verwaltungsgerichts unter Auflagen entsprochen. Die Auflagen
      betrafen den örtlichen Verlauf des Aufzugs, das Mitführen von
      Fahnen und Trommeln, das Skandieren von Parolen, das Tragen
      gleichartiger Kleidungsstücke, das Verbot von Äußerungen mit
      aggressiver Ausländerfeindlichkeit und solcher, die gegen
      einschlägige Strafbestimmungen verstoßen. 


5  


Auf die Beschwerde der Beklagten änderte der
      Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung des
      Verwaltungsgerichts und lehnte den Antrag auf
      Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab. Das Motto
      der Veranstaltung verstoße gegen den Straftatbestand des
      § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Die Wahl dieses
      Mottos und das Beharren auf ihm seien deutliche Anhaltspunkte
      dafür, dass bei Durchführung der Versammlung auch
      entsprechende Inhalte verbreitet würden, die zu einer Störung
      der öffentlichen Ordnung führten. 


6  


4. Die 1. Kammer des Ersten Senats des
      Bundesverfassungsgerichts stellte im einstweiligen
      Rechtsschutzverfahren nach § 32 BVerfGG die
      aufschiebende Wirkung nach Maßgabe des Tenors des Beschlusses
      des Verwaltungsgerichts wieder her (NJW 2001, S. 2072).
      Das Verbot der Versammlung lasse sich nicht auf eine
      Gefährdung der öffentlichen Sicherheit stützen. Der
      Verbotsverfügung sei nicht zu entnehmen, inwieweit die
      Klägerin zu 1 und der Beschwerdeführer für Vorfälle bei
      früheren von ihnen durchgeführten Veranstaltungen
      verantwortlich gewesen seien. Aus dem Motto der Kundgebung
      lasse sich ein Verstoß gegen Strafbestimmungen nicht
      begründen. Auch der Rückgriff auf die Gefährdung der
      öffentlichen Ordnung im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG
      scheide als Rechtsgrundlage der Verbotsverfügung aus. Der
      Maßstab zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen, die
      darauf zielten, den Inhalt von Meinungsäußerungen zu
      beschränken, ergebe sich aus dem Grundrecht der
      Meinungsfreiheit, nicht aus dem der Versammlungsfreiheit.
      Eine bloße Gefährdung der öffentlichen Ordnung rechtfertige
      im Allgemeinen ein Versammlungsverbot nicht. 


7  


Die Versammlung fand zum vorgesehenen
      Zeitpunkt statt. 


8  


5. Die Klägerin zu 1 und der
      Beschwerdeführer erhoben Fortsetzungsfeststellungsklage, die
      das Verwaltungsgericht abwies. Die Klage sei unzulässig, weil
      ein ausreichendes Rechtsschutzinteresse nicht vorliege. Dies
      könne nur gegeben sein, wenn eine hinreichend bestimmte
      Gefahr bestehe, dass unter im Wesentlichen unveränderten
      tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiges
      Versammlungsverbot ergehe. Bei Ungewissheit, ob künftig
      solche tatsächlichen Verhältnisse entstehen könnten, bestehe
      kein Feststellungsinteresse. Bei dem Vorbringen der Kläger,
      auch künftig weiterhin Demonstrationen unter dem damaligen
      Motto anmelden zu wollen, handele es sich um eine schlichte
      Behauptung. Aber auch wenn dies anzunehmen sei, liege keine
      Wiederholungsgefahr vor. Es sei nicht wahrscheinlich, dass
      die Stadt auf jeden Fall eine angemeldete Versammlung in
      Zukunft verbieten werde. Auch sei nicht davon auszugehen,
      dass die Stadt die im Eilverfahren ergangene gerichtliche
      Entscheidung des Verwaltungsgerichts und den Beschluss des
      Bundesverfassungsgerichts missachten werde. Ferner sei nicht
      zu erwarten, dass eine mögliche Verbotsverfügung auf
      Erwägungen gestützt werde, die das Verwaltungsgericht und das
      Bundesverfassungsgericht für nicht rechtens erachtet
      hätten. 


9  


Im Übrigen könnten die Kläger keine
      nennenswerte Verbesserung ihrer Position durch eine
      inhaltlich gleiche Entscheidung im Hauptsacheverfahren
      erreichen. Ferner könnten sie einen erneuten Verstoß gegen
      das Grundrecht der Versammlungsfreiheit effektiver durch
      vorläufigen Rechtsschutz abwehren als durch ein
      Hauptsacheverfahren. Schließlich bestehe ein
      Rechtsschutzinteresse auch nicht unter dem Gesichtspunkt der
      Rehabilitierung. Es sei auf Grund der Entscheidungen des
      Verwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts im
      einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu keinem
      Grundrechtseingriff gekommen, der der Rehabilitierung
      bedürfe. 


10  


6. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den
      Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab.
      Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der
      verwaltungsgerichtlichen Entscheidung seien im Sinne von
      § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur zu bejahen, wenn
      bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen
      Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher sei
      als der Misserfolg. Der Beschwerdeführer habe die ernstlichen
      Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des
      Verwaltungsgerichts in erster Linie damit begründet, dass das
      Verwaltungsgericht eine Wiederholungsgefahr, die nach
      Auffassung des Beschwerdeführers evident sei, zu Unrecht
      abgelehnt habe. Das Vorbringen setze sich aber nicht
      ausreichend mit den drei selbständig tragenden Gründen
      auseinander, auf die das Verwaltungsgericht die Verneinung
      der Wiederholungsgefahr gestützt habe. Insofern habe der
      Beschwerdeführer sich nicht mit den beiden Argumenten
      auseinander gesetzt, er könne durch eine inhaltlich gleiche
      Entscheidung im Hauptsacheverfahren keine Verbesserung seiner
      Position erreichen und bei einem erneuten Versammlungsverbot
      sei Eilrechtsschutz effektiver. 


11  


Das Verwaltungsgericht habe im Übrigen zu
      Recht ein Rehabilitationsinteresse verneint. Eine
      hinreichende Rehabilitierung sei erfolgt. Das
      Versammlungsverbot sei im Eilverfahren außer Vollzug gesetzt
      worden, so dass die Versammlung habe stattfinden können.
      Ferner hätten das Verwaltungsgericht sowie das
      Bundesverfassungsgericht der von der Person des
      Beschwerdeführers abgeleiteten Gefahr für die öffentliche
      Sicherheit widersprochen. Ein Feststellungsinteresse folge
      auch nicht daraus, dass entsprechende Verbotsverfügungen sich
      typischerweise kurzfristig erledigten, so dass die
      Möglichkeit des Rechtsschutzes schon aus der institutionellen
      Garantie in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG herzuleiten
      sei. Soweit das Bundesverwaltungsgericht (NVwZ 1999,
      S. 991) diesen Aspekt anerkenne, habe es sich auf eine
      Versammlung bezogen, die nicht habe stattfinden können. Damit
      sei diese Entscheidung nicht ohne weiteres auf die
      vorliegende Fallkonstellation übertragbar. 

 

II. 


12  


Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der
      Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung von Art. 8
      und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Die Versammlung
      habe zwar stattfinden, aber umständehalber keine vollständige
      sein können. Sie sei infolge des rechtswidrigen Verbots nur
      in eingeschränkter Form durchgeführt worden. Die Versammlung
      sei frühzeitig angemeldet worden. Gleichwohl sei der
      Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs erst am 6. April,
      also einen Tag vor der geplanten Versammlung, erlassen
      worden. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts sei
      ungefähr zwei Stunden vor dem angesetzten Termin eingegangen.
      Deshalb hätten lediglich ungefähr 60 Personen an der
      Versammlung teilgenommen. Es bestehe die Gefahr des Erlasses
      vergleichbarer Verbotsverfügungen. Ein Rechtsschutzinteresse
      für das Fortsetzungsfeststellungsverfahren sei daher zu
      bejahen. In einem ähnlich gelagerten Verfahren habe die im
      Ausgangsverfahren beklagte Stadt erneut eine Verbotsverfügung
      gegen ihn erlassen. Dies zeige, dass die Versammlungsbehörde
      Eilentscheidungen des Verwaltungsgerichts und des
      Bundesverfassungsgerichts missachte. Es sei auch nicht so,
      dass das hier in Rede stehende Verbot der Versammlung allein
      wegen des Versammlungsmottos ergangen sei. Maßgeblich sei für
      die Behörde auch der Auftritt des Beschwerdeführers als
      Mitveranstalter gewesen. 

 

III. 


13  


Zu der Verfassungsbeschwerde haben die
      Hessische Landesregierung, das Bundesverwaltungsgericht und
      die Beklagte des Ausgangsverfahrens Stellung genommen. 


14  


1. Die Hessische Landesregierung hält die
      Verfassungsbeschwerde für unzulässig. Der Beschwerdeführer
      habe die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des
      Verwaltungsgerichtshofs nicht in der gebotenen Weise gemäß
      § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG
      begründet. Ferner sei er aus Gründen der Subsidiarität der
      Verfassungsbeschwerde mit einem Teil seiner Einwendungen
      ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer habe in seinem Antrag
      auf Zulassung der Berufung nur eines von drei selbständig
      tragenden Argumenten für die Verneinung der
      Wiederholungsgefahr angegriffen. Im Übrigen sei das
      Fortbestehen eines Feststellungsinteresses zu verneinen.
      Insbesondere liege kein tief greifender Grundrechtseingriff
      vor. Das Bundesverfassungsgericht habe in dem Eilbeschluss in
      dieser Sache den Beschwerdeführer rehabilitiert. 


15  


2. Das Bundesverwaltungsgericht verweist auf
      seine Rechtsprechung, nach der anerkannt sei, dass ein
      schutzwürdiges ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeit der
      Feststellung nicht nur in Fällen in Betracht komme, in denen
      abträgliche Nachwirkungen der erledigten Verwaltungsmaßnahme
      fortbestünden. Vielmehr könne es auch die Art des Eingriffs,
      insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich,
      erfordern, das Feststellungsinteresse anzuerkennen. Hierzu
      zählten namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche
      Maßnahmen zum Gegenstand hätten. Bei einem Versammlungsverbot
      gemäß § 15 Abs. 1 VersG handele es sich nur um das
      letzte, äußerste Mittel zur Abwehr der von der Veranstaltung
      ausgehenden Gefahren. Die §§ 14, 15 VersG bildeten ein
      in sich geschlossenes und abschließendes Regelungswerk, mit
      dem sichergestellt werde, dass die zur Wahrung der
      öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der
      Versammlung oder des Aufzugs notwendigen Maßnahmen getroffen
      werden könnten. 


16  


3. Nach Auffassung der Beklagten des
      Ausgangsverfahrens ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.
      Die Verbotsverfügung sei zu Recht ergangen. Den Ausführungen
      des Bundesverfassungsgerichts zur rechtlichen Bewertung des
      Mottos der Versammlung vermöge die Stadt sich nicht
      anzuschließen. Die geringe Zahl der Versammlungsteilnehmer
      könne entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht auf
      das Verhalten der Behörde zurückgeführt werden. An einer am
      1. Mai 2003 im Gebiet der beklagten Stadt durchgeführten
      Demonstration hätten sich gerade acht Teilnehmer des
      rechtsradikalen Spektrums eingefunden. Die Gerichte hätten
      zudem zutreffend das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr
      verneint. Die Stadt differenziere durchaus nach den
      unterschiedlich gelagerten Umständen des Einzelfalls. 

 

B. 


17  


Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Ihr
      steht der Grundsatz der Subsidiarität nicht entgegen. 


18  


Der Beschwerdeführer hat insbesondere auch
      hinsichtlich seines Antrags auf Zulassung der Berufung das
      ihm Zumutbare getan. Er hat - bezogen auf die
      Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 1
      VwGO - ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der
      verwaltungsgerichtlichen Entscheidung durch seinen Vortrag
      zum Rechtsschutzinteresse schlüssig aufgezeigt. 


19  


Die an die Begründung des Antrags auf
      Zulassung der Berufung zu stellenden Anforderungen dürfen
      nicht überspannt werden (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>;
      BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, DVBl 2001,
      S. 894 <895>; NVwZ 2004, S. 90). Hinreichende
      Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung
      sind insbesondere schon dann begründet, wenn ein einzelner
      tragender Rechtssatz oder eine erhebliche
      Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage
      gestellt wird (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, NVwZ
      2000, S. 1163 <1164>). Sie sind nicht erst gegeben,
      wenn - so aber der Verwaltungsgerichtshof - bei der im
      Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung
      der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der
      Misserfolg. 


20  


Daher war es ausreichend, dass der
      Beschwerdeführer im Zulassungsverfahren der Begründung des
      verwaltungsgerichtlichen Urteils entgegengetreten ist, ein
      Feststellungsinteresse ergebe sich nicht aus dem
      Gesichtspunkt einer Wiederholungsgefahr. Dazu hat er unter
      Hinweis auf einen ebenfalls ihn betreffenden Vergleichsfall
      die Möglichkeit eines entsprechenden erneuten
      Versammlungsverbots dargetan und damit zugleich aufgezeigt,
      dass sich die Versammlungsbehörde nicht an die in den
      durchgeführten Eilverfahren von dem Verwaltungsgericht und
      dem Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Maßstäbe halten
      werde. 


21  


Der Grundsatz der Subsidiarität der
      Verfassungsbeschwerde ist dem Beschwerdeführer auch insoweit
      nicht entgegenzuhalten, als der Verwaltungsgerichtshof die
      zusätzlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts als weitere
      tragende Begründungen der Verneinung der Wiederholungsgefahr
      angesehen hat; darauf hätte sich die Darlegung der
      ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
      verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ebenfalls beziehen
      müssen. Ein Nutzen des Hauptsacheverfahrens gegenüber einem
      einstweiligen Rechtsschutzverfahren liegt bereits in der
      abschließenden und nicht nur vorläufigen Prüfung der
      Rechtmäßigkeit eines behördlichen Vorgehens, dessen
      Wiederholung zu befürchten ist. Diesen Nutzen hat der
      Beschwerdeführer im Rahmen seiner Darlegungen zum
      Rehabilitierungsinteresse aufgezeigt. Ferner hat er durch die
      Ausführungen zu der aus seiner Sicht fehlenden
      Gleichwertigkeit von Hauptsache- und Eilverfahren zum
      Ausdruck gebracht, dass auch mit künftigen Entscheidungen im
      Eilverfahren seinem Interesse an einer die Behörde bindenden
      Entscheidung nicht genügt ist. 


22  


Auch musste der Beschwerdeführer der
      Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht entgegentreten, er
      könne seine rechtlichen Interessen auch künftig hinreichend
      effektiv durch Eilrechtsschutz verfolgen. Denn dieser Hinweis
      des Gerichts setzt die Annahme einer Wiederholungsgefahr
      gerade voraus. Es ist nicht zu erkennen, inwiefern die
      Möglichkeit der Wiederholung eines behördlichen Verbots davon
      beeinflusst wird, ob der Beschwerdeführer sich dagegen auch
      im Eilverfahren wehren kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat
      die von ihm als tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts
      behandelte Möglichkeit des Eilrechtsschutzes ausdrücklich als
      Grund für die Verneinung der Wiederholungsgefahr bezeichnet
      und in dem Berufungszulassungsantrag eine Auseinandersetzung
      damit vermisst. Insofern hat der Verwaltungsgerichtshof vom
      Beschwerdeführer verlangt, einer aus sich heraus nicht
      nachvollziehbaren Begründung entgegenzutreten. Das Fehlen der
      Rüge dieses Aspekts im Zulassungsverfahren bewirkt daher
      nicht, dass der Grundsatz der Subsidiarität der
      verfassungsrechtlichen Prüfung des behaupteten
      Grundrechtsverstoßes entgegensteht. 

 

C. 


23  


Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das
      Urteil des Verwaltungsgerichts und der Beschluss des
      Verwaltungsgerichtshofs verletzen den Beschwerdeführer in
      seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz. 

 

I. 


24  


1. Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist
      Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. 


25  


a) Diese Norm enthält ein Grundrecht auf
      wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen
      Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE
      67, 43 <58>; 96, 27 <39>; 107, 395
      <401 ff.>). Die in Art. 19 Abs. 4 Satz 1
      GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes wird in erster
      Linie von den Prozessordnungen gewährleistet. Sie treffen
      Vorkehrungen dafür, dass der Einzelne seine Rechte auch
      tatsächlich wirksam durchsetzen kann und die Folgen
      staatlicher Eingriffe im Regelfall nicht ohne die Möglichkeit
      fachgerichtlicher Prüfung zu tragen hat (vgl. BVerfGE 96, 27
      <39>). 


26  


Die Zulässigkeit eines Rechtsschutzbegehrens
      ist allerdings vom Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses
      bei der Verfolgung eines subjektiven Rechts abhängig. Damit
      der Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG
      nicht unzumutbar beschränkt wird, dürfen aber an ein solches
      Rechtsschutzbedürfnis keine aus Sachgründen nicht mehr zu
      rechtfertigenden Anforderungen gestellt werden (vgl. BVerfGE
      78, 88 <99>). 


27  


b) Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG
      garantiert den Rechtsweg nicht nur bei aktuell anhaltenden,
      sondern grundsätzlich auch bei Rechtsverletzungen, die in der
      Vergangenheit erfolgt sind, allerdings unter dem Vorbehalt
      eines darauf bezogenen Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. BVerfGE
      104, 220 <232 f.>). Mit dem Gebot effektiven
      Rechtsschutzes ist es grundsätzlich vereinbar, wenn die
      Fachgerichte ein Rechtsschutzinteresse nur so lange als
      gegeben ansehen, wie ein gerichtliches Verfahren dazu dienen
      kann, eine gegenwärtige Beschwer auszuräumen, einer
      Wiederholungsgefahr zu begegnen oder eine fortwirkende
      Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu
      beseitigen (vgl. BVerfGE 96, 27 <39 f.>; 104, 220
      <232 f.>). 


28  


Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz
      gebietet darüber hinaus, die Möglichkeit einer gerichtlichen
      Klärung in Fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher
      Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn
      die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich
      nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne
      beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche
      Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerfGE 81, 138
      <140 f.>; 96, 27 <40>; 104, 220
      <233 f.>; stRspr). Solche Eingriffe können auch
      durch Beeinträchtigungen des Grundrechts auf
      Versammlungsfreiheit bewirkt werden, gegen die Rechtsschutz
      im Hauptsacheverfahren in dem dafür verfügbaren Zeitraum
      typischerweise nicht erreichbar ist. 


29  


2. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG
      gewährt nach Maßgabe der Sachentscheidungsvoraussetzungen
      einen Anspruch auf Rechtsschutz in der Hauptsache und nicht
      nur auf Rechtsschutz in einem Eilverfahren. 


30  


a) Durch ein Eilverfahren wird das
      Rechtsschutzinteresse nur vorläufig und anders als im
      Hauptsacheverfahren erfüllt. Unterschiede bestehen in
      verfahrensrechtlicher und in materiellrechtlicher
      Hinsicht. 


31  


Das verwaltungsgerichtliche
      Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist ein
      Beschlussverfahren, für das besondere Verfahrensregeln
      gelten. So wirken ehrenamtliche Richter an der Entscheidung
      des Verwaltungsgerichts nur mit, wenn die nach § 101
      Abs. 3 VwGO freigestellte mündliche Verhandlung anberaumt
      wird (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Beschwerden
      gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts im Verfahren des
      vorläufigen Rechtsschutzes richten sich nach § 146
      Abs. 4 VwGO; im Grundsatz prüft das
      Oberverwaltungsgericht nach Satz 6 nur die dargelegten
      Gründe. Auch reicht der Rechtsweg niemals bis zum
      Bundesverwaltungsgericht. 


32  


In materiellrechtlicher Hinsicht sind im
      Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO die
      Interessen des Antragstellers und des Antragsgegners
      gegeneinander abzuwägen. Überschaubare Erfolgsaussichten der
      Hauptsache sind allerdings einzubeziehen (vgl. Kopp/Schenke,
      Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl., 2003,
      Rn. 158 zu § 80; Schoch, in: Schoch/
      Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand
      September 2003, Rn. 252 ff. zu § 80, jeweils
      m.w.N.), so dass auch Fragen der Rechtmäßigkeit der
      angegriffenen Verfügung aufgeworfen und abhängig von der
      Tatsachengrundlage und der zur Verfügung stehenden Zeit
      überprüft werden. Das besondere Vollzugsinteresse, das in den
      Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO
      eigenständig zu begründen ist, wird jedenfalls dann nicht
      anerkannt, wenn der Vollzug nur unter Verstoß gegen die
      Rechtsordnung möglich wäre. Die Intensität der Überprüfung
      der Erfolgsaussichten der Hauptsache hängt auch davon ab, ob
      die Folgen der Vollzugsanordnung später rückgängig gemacht
      werden können. 


33  


b) Da die Folgen von Anordnungen, die die
      Durchführung einer Versammlung beschränken, regelmäßig nicht
      reversibel sind, muss das verwaltungsgerichtliche
      Eilverfahren hier zum Teil Schutzfunktionen übernehmen, die
      sonst das Hauptsacheverfahren erfüllt (vgl. BVerfGE 69, 315
      <341, 363 f.>). Bei Versammlungen, die auf einen
      einmaligen Anlass oder einen bestimmten Zeitpunkt oder
      Zeitraum bezogen sind, haben deshalb die Verwaltungsgerichte
      im Interesse des effektiven Schutzes der Versammlungsfreiheit
      schon im Eilverfahren durch eine im Rahmen des Möglichen
      hinreichend intensive Prüfung der Rechtmäßigkeit der im
      Streit befindlichen behördlichen Maßnahme sowie des
      Sofortvollzugs dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Letzterer
      in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in
      der beabsichtigten Weise führt. Kann eine solche Prüfung
      infolge einer verzögernden Entscheidung der
      Verwaltungsbehörde nicht stattfinden, kann schon dies allein
      zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines
      Rechtsbehelfs führen (vgl. BVerfGE 69, 315 <364>).
      Eilrechtsschutz ist auch dann zu gewähren, wenn die für das
      Versammlungsverbot maßgebliche Gefahrenprognose auf Umstände
      gestützt worden ist, deren Berücksichtigung dem Schutzgehalt
      des Art. 8 GG offensichtlich widerspricht, oder wenn das
      für eine Begrenzung der Versammlungsfreiheit herangezogene
      Schutzgut und die angewandten Normen die Einschränkung
      offensichtlich nicht tragen (vgl. zum
      verfassungsgerichtlichen Eilrechtsschutz BVerfG,
      1. Kammer des Ersten Senats, NJW 2000, S. 3053
      <3054>; 2001, S. 2069 <2070>). Soweit eine
      derartige, wenn auch eingeschränkte, Rechtmäßigkeitsprüfung
      die Eilentscheidung nicht trägt, kommt es ausschließlich auf
      eine Interessenabwägung an (vgl. BVerfGE 69, 315
      <363 f.>). In der Sache aber bleibt es im
      Grundsatz stets, also auch bei der Prüfung der
      Rechtmäßigkeitserfordernisse, bei einer nur vorläufigen
      Überprüfung der behördlichen Entscheidung, die ohne
      umfassende Sachaufklärung von Amts wegen und ohne
      abschließende Rechtsprüfung erfolgt. Der Rechtsschutz im
      Hauptsacheverfahren kann deshalb durch das Eilverfahren
      grundsätzlich nicht überflüssig werden. 


34  


c) Die Möglichkeit einer
      verwaltungsgerichtlichen Überprüfung der
      versammlungsrechtlichen Maßnahmen in einem
      Hauptsacheverfahren ist auch für die Gewährung von
      Rechtsschutz im Verfassungsbeschwerdeverfahren vor dem
      Bundesverfassungsgericht von Bedeutung. Auch bei
      Streitigkeiten um die Rechtmäßigkeit eines
      Versammlungsverbots ist der Beschwerdeführer nach dem
      Grundsatz der Subsidiarität (vgl. Art. 94 Abs. 2
      Satz 2 GG, § 90 Abs. 2 BVerfGG) regelmäßig
      zunächst auf das Hauptsacheverfahren vor den Fachgerichten
      verwiesen. Grundsätzlich soll das Bundesverfassungsgericht
      nicht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weit
      reichende Entscheidungen treffen müssen (vgl. BVerfGE 79, 1
      <20>). Darüber hinaus ist die Erschöpfung des
      Rechtswegs in der Hauptsache geboten, wenn dort nach der Art
      des gerügten Grundrechtsverstoßes die Gelegenheit besteht,
      der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen (vgl. BVerfGE
      79, 275 <278 f.>; 86, 15 <22 f.>;
      stRspr). 


35  


Wenn die Verwaltungsgerichte das
      Hauptsacheverfahren wegen des vermeintlichen Fehlens eines
      Rechtsschutzinteresses nicht durchführen müssten, würde einer
      fortbestehenden verfassungsrechtlichen Beschwer im
      fachgerichtlichen Verfahren nicht abgeholfen. Gleichzeitig
      könnte dem Beschwerdeführer der Grundsatz der Subsidiarität
      der Verfassungsbeschwerde nicht entgegengehalten werden, so
      dass das Bundesverfassungsgericht ohne Aufbereitung der Sache
      durch die Fachgerichte zu entscheiden hätte. Dies aber
      widerspräche der grundsätzlichen Aufgabenverteilung zwischen
      Fachgerichten und Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 107,
      395 <413 ff.>). 


36  


3. In versammlungsrechtlichen Verfahren sind
      die für die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses bei einer
      Fortsetzungsfeststellungsklage geltenden Anforderungen (siehe
      oben C I 1 b) unter Berücksichtigung der
      Besonderheiten der Versammlungsfreiheit anzuwenden. Indessen
      begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit
      ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein solches Interesse
      besteht allerdings dann, wenn die angegriffene Maßnahme die
      Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt (a), wenn die
      Gefahr einer Wiederholung besteht (b) oder wenn aus Gründen
      der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse
      an der Klärung der Rechtmäßigkeit angenommen werden kann
      (c). 


37  


a) Die Bedeutung der Versammlungsfreiheit in
      einer Demokratie gebietet stets die Möglichkeit
      nachträglichen Rechtsschutzes, wenn die Grundrechtsausübung
      durch ein Versammlungsverbot tatsächlich unterbunden oder die
      Versammlung aufgelöst worden ist. Derartige Eingriffe sind
      die schwerste mögliche Beeinträchtigung der
      Versammlungsfreiheit. Eine weitere Gewichtung eines solchen
      Grundrechtseingriffs, etwa im Hinblick auf den spezifischen
      Anlass oder die Größe der Versammlung, ist dem Staat
      verwehrt. Ebenso bedarf in einem derartigen Fall keiner
      Klärung, ob eine fortwirkende Beeinträchtigung im
      grundrechtlich geschützten Bereich gegeben ist (vgl. auch
      BVerwG, NVwZ 1999, S. 991). Auch spielt es keine Rolle,
      ob vergleichbare Versammlungen noch in Zukunft stattfinden
      sollen. 


38  


Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse
      hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens ist ebenso zu bejahen,
      wenn die Versammlung zwar durchgeführt werden konnte, aber
      infolge von versammlungsbehördlichen Auflagen gemäß § 15
      Abs. 1 VersG, von verwaltungsgerichtlichen Auflagen nach
      § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO oder von
      verfassungsgerichtlichen Maßgaben nach § 32 Abs. 1
      BVerfGG nur in einer Weise, die ihren spezifischen Charakter
      verändert, insbesondere die Verwirklichung ihres
      kommunikativen Anliegens wesentlich erschwert hat.
      Demgegenüber ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht
      begründet, wenn die Abweichungen bloße Modalitäten der
      Versammlungsdurchführung betroffen haben. 


39  


Konnte die verbotene Versammlung auf Grund
      einer im Eilrechtsschutzverfahren wiederhergestellten
      aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs wie
      geplant, wenn auch gegebenenfalls unter den Versammlungszweck
      nicht gefährdenden Modalitäten durchgeführt werden, besteht
      insofern kein Feststellungsinteresse. Es bleibt allerdings
      die Negativbeurteilung durch die Versammlungsbehörde, wonach
      mit der angemeldeten Versammlung gegen die öffentliche
      Sicherheit oder gegen die öffentliche Ordnung verstoßen
      werde. Mögliche belastende Wirkungen durch die Art der
      Begründung der Verbotsverfügung reichen für die Annahme des
      Feststellungsinteresses nur dann, wenn sie ein besonderes
      Gewicht haben (siehe unten C I 3 c). 


40  


b) Stets, also auch bei der durch
      einstweiligen Rechtsschutz ermöglichten Durchführung der
      Versammlung, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei
      Vorliegen einer Wiederholungsgefahr anzunehmen. Die
      Feststellung der Voraussetzungen einer Wiederholungsgefahr
      erfolgt im Zuge der Amtsermittlung durch das Gericht (vgl.
      Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O.,
      Rn. 14 zu Vorb § 40 m.w.N.; Kopp/Schenke, a.a.O.,
      Rn. 10 zu Vorb § 40 m.w.N.). Die in diesem
      Zusammenhang an den Kläger zu stellenden
      Darlegungsanforderungen sind unter Berücksichtigung des
      Art. 8 GG zu konkretisieren. 


41  


Das Erfordernis der Wiederholungsgefahr setzt
      zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer
      vergleichbaren Versammlung durch den Kläger voraus (aa),
      zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig
      an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (bb). Sind
      diese Voraussetzungen erfüllt, kann der Veranstalter nicht
      auf die Alternative zukünftig möglichen Eilrechtsschutzes
      verwiesen werden (cc). 


42  


aa) Auf Seiten des Klägers reicht es aus, wenn
      sein Wille erkennbar ist, in Zukunft Versammlungen
      abzuhalten, die ihrer Art nach zu den gleichen
      Rechtsproblemen und damit der gleichen Beurteilung ihrer
      Rechtmäßigkeit führen können. Angesichts des
      verfassungsrechtlich geschützten Rechts des Veranstalters,
      über das Ziel sowie die Art und Weise der Durchführung einer
      Versammlung selbst zu bestimmen (vgl. BVerfGE 104, 92
      <111>), darf für die Bejahung des
      Feststellungsinteresses nicht verlangt werden, dass die
      möglichen weiteren Versammlungen unter gleichen Umständen,
      mit einem identischen Motto und am selben Ort durchgeführt
      werden. 


43  


bb) Ferner sind Anhaltspunkte zu fordern, dass
      die betroffene Behörde das Verbot solcher weiterer
      Versammlungen oder die Beschränkung ihrer Durchführung
      voraussichtlich wieder mit den gleichen Gründen rechtfertigen
      wird. Insofern darf vom Kläger, der regelmäßig keinen Zugang
      zum Willensbildungsprozess der Verwaltung hat, nicht mehr als
      die Darlegung verlangt werden, es gebe Anlass für die
      Annahme, dass beschränkende Verfügungen künftig auf die
      gleichen Gründe wie bei der im Streit befindlichen
      Versammlung gestützt werden. 


44  


Ist gerichtlicher Eilrechtsschutz erlangt
      worden, bestehen aber - wie gegenwärtig bei einzelnen
      versammlungsrechtlichen Streitfragen - Anhaltspunkte
      dafür, dass Behörden sich nicht an den in vorangegangenen
      Eilverfahren vorgenommenen gerichtlichen Bewertungen
      ausrichten werden, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse
      zu bejahen, es sei denn, die konkret betroffene Behörde hat
      eindeutig erkennen lassen, in Zukunft von einer Wiederholung
      der Beschränkung unter Verwendung der von ihr ursprünglich
      gegebenen Begründung absehen zu wollen. 


45  


cc) Das auf eine Wiederholungsgefahr
      gegründete Rechtsschutzinteresse entfällt nicht etwa deshalb,
      weil der Kläger in zukünftigen Fällen erneut Eilrechtsschutz
      in Anspruch nehmen kann. Der im Eilverfahren erreichbare
      Schutz entspricht nicht dem Rechtsschutz, der im
      Hauptsacheverfahren erlangt werden kann. Erst dieses kann
      Rechtssicherheit herstellen. Dies verdeutlicht schon die
      Begrenzung der im Eilverfahren erfolgenden Prüfung der in der
      behördlichen Verfügung zu erfüllenden
      Rechtmäßigkeitsanforderungen (siehe oben C
      I 2 a, b). Hinzu kommt bei einem
      Angewiesensein auf Eilrechtsschutz die begrenzte
      Vorhersehbarkeit der Ergebnisse. Es ist dem Veranstalter
      einer Versammlung nicht zuzumuten, den durch Art. 19
      Abs. 4 Satz 1 GG garantierten Rechtsschutz stets
      nur vorläufig und mit Unsicherheit für die Behandlung
      zukünftiger Fälle erlangen zu können. Dies wäre auch dem
      Freiheitsrecht des Art. 8 GG abträglich und könnte sich
      langfristig auf die Funktionsweise der Demokratie
      (Art. 20 Abs. 1 GG) auswirken. 


46  


c) Auch das Rehabilitierungsinteresse kann das
      Rechtsschutzbedürfnis für eine Fortsetzungsfeststellungsklage
      begründen. 


47  


In der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird ein
      Rehabilitierungsinteresse im Fall der Erledigung einer
      Maßnahme bejaht, wenn die begehrte Feststellung, dass ein
      Verwaltungsakt rechtswidrig war, als "Genugtuung" oder zur
      Rehabilitierung erforderlich ist. Dies wird insbesondere
      angenommen, wenn der Verwaltungsakt diskriminierenden
      Charakter hatte und das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigte
      (vgl. BVerwGE 26, 161 <168>; 61, 164 <166>;
      Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 142 zu § 113 m.w.N.).
      Auch in versammlungsrechtlichen Streitigkeiten sind
      Begründungen für beschränkende Maßnahmen vorstellbar, die
      diskriminierend wirken können, insbesondere Ausführungen über
      die Persönlichkeit des Veranstalters oder zu seinem
      erwarteten kriminellen Verhalten auf Versammlungen. 

 

II. 


48  


Bei Anwendung der aufgezeigten
      verfassungsrechtlichen Maßstäbe sind die angegriffenen
      Entscheidungen der Verwaltungsgerichte zu beanstanden. 


49  


Es kann dahinstehen, ob das
      Fortsetzungsfeststellungsinteresse schon wegen eines
      gewichtigen Eingriffs in die Versammlungsfreiheit zu bejahen
      ist. Jedenfalls durfte das Verwaltungsgericht das
      Rechtsschutzinteresse nicht mit den dargelegten Gründen zum
      Fehlen der Wiederholungsgefahr verneinen und der
      Verwaltungsgerichtshof die Zulassung der Berufung nicht mit
      dem Argument verweigern, ernsthafte Zweifel an der
      Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts seien
      nicht dargelegt worden. 


50  


1. In der mit der Verfassungsbeschwerde in
      Bezug genommenen Klageschrift sowie in der Begründung des
      Antrags auf Zulassung der Berufung hat der Beschwerdeführer
      ausgeführt, er habe auch künftig die Absicht, derartige
      Demonstrationen durchzuführen. Dass diese Angaben glaubhaft
      sind und sich auf rechtsextremistische Demonstrationen
      beziehen, ist nicht zweifelhaft. Aus Veröffentlichungen ist
      im Übrigen auch gerichtsbekannt, dass der Beschwerdeführer
      nach wie vor an der Durchführung von Versammlungen mit
      ähnlichem Motto als Veranstalter oder auf andere Weise aktiv
      beteiligt ist. Wenn er zur Wiederholungsgefahr in erster
      Linie dahingehend argumentiert, die Behörde werde ihre
      Rechtsfehler wiederholen, dann sagt der Beschwerdeführer
      damit zugleich, er werde dafür Anlass schaffen. 


51  


2. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens hält
      nach wie vor an ihrer Auffassung fest. In ihrer Stellungnahme
      zu diesem Verfahren hat sie erneut ausgeführt, die
      Verbotsverfügung sei rechtmäßig ergangen. Sie vermöge sich
      der vom Bundesverfassungsgericht in dem einstweiligen
      Rechtsschutzverfahren geäußerten Auffassung zu den
      Anforderungen an die Deutung eines Versammlungsmottos und zur
      Verneinung der Strafbarkeit des konkret genutzten
      Versammlungsmottos und damit zu dem Verstoß der Versammlung
      gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht
      anzuschließen. Es ist daher nicht ohne weiteres zu erwarten,
      dass die Beklagte des Ausgangsverfahrens in vergleichbaren
      Fällen die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangene
      Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigen
      wird. 

 

III. 


52  


Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts
      beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Es hätte
      bei hinreichender Berücksichtigung der sich aus Art. 19
      Abs. 4 Satz 1 und Art. 8 GG ergebenden
      Vorgaben an die Voraussetzungen eines
      Fortsetzungsfeststellungsinteresses zu einem anderen Ergebnis
      kommen müssen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs,
      dessen Begründung sich auf die fehlerhaften
      Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts stützt, beruht
      ebenfalls auf diesem Fehler. Dies gilt auch insoweit, als der
      Verwaltungsgerichtshof die Ausführungen des Beschwerdeführers
      im Hinblick auf die weiteren vom Verwaltungsgericht gegebenen
      Begründungen als nicht ausreichend beanstandet hat. Es hätte
      für die Zulassung der Berufung reichen müssen, dass der
      Beschwerdeführer die für sich tragenden Erwägungen des
      Verwaltungsgerichts zur Wiederholungsgefahr mit schlüssigen
      Argumenten angegriffen und zugleich sein Interesse an einer
      endgültigen Entscheidung mit Rücksicht auf weitere geplante
      Versammlungen verdeutlicht hat. Dadurch waren ernstliche
      Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung begründet. Die
      Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, das Ausreichen der
      Möglichkeit des Eilrechtsschutzes sei ein selbständig
      tragender Grund für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts
      gewesen, konnte die Nichtzulassung der Berufung nicht
      rechtfertigen. Das Rechtsschutzinteresse entfällt allein
      wegen dieser Möglichkeit nicht (siehe oben C I 3),
      so dass ihr Bestehen die ernstlichen Zweifel an der
      Rechtmäßigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung
      nicht ausräumt. 


53  


Da die angegriffenen Entscheidungen auf diesen
      Fehlern beruhen, sind sie gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG
      aufzuheben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht
      zurückverwiesen. 


54  


Die Auslagenentscheidung folgt aus § 34 a
      Abs. 2 BVerfGG. 


   




Papier 
Jaeger 
Haas 


Hömig 
Steiner 
Hohmann-Dennhardt 


Hoffmann-Riem 
 
Bryde