Fall 56
Aktenzeichen: 1 BvR 3041/07
Beck Online: BeckRS 2009 37173.0

cid 56 
 BUNDESVERFASSUNGSGERICHT 
- 1 BvR 3041/07 - 

 

 

 

Im Namen des Volkes 

 

In dem Verfahren 
      über 
      die Verfassungsbeschwerde 


   


der Nationaldemokratischen Partei
      Deutschlands, 


   



        - Bevollmächtigte:
       

        Rechtsanwältin Gisa Pahl, 
        Dahlengrund 55e, 21077 Hamburg -
       


   





gegen
          a) 

den Beschluss des
          Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
          vom 30. November 2007 - 5 B 1940/07 -, 



b) 

den Beschluss des
          Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 28. November 2007 – 18
          L 1977/07 –, 



c) 

die Verbotsverfügung des
          Landrats als Kreispolizeibehörde Kleve vom 21. November
          2007 - VL 1-57.02.01 – 




   




hier: 
Antrag auf Erlass einer einstweiligen
          Anordnung 




   


hat die 1. Kammer des Ersten Senats des
      Bundesverfassungsgerichts 
durch den Präsidenten Papier, 
      und die Richter Hoffmann-Riem, 
      Kirchhof 


   


gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit
      § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der
      Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I
      S. 1473) am 1. Dezember 2007 einstimmig
      beschlossen: 


   


Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage
      der Antragstellerin gegen die Verbotsverfügung des Landrats
      als Kreispolizeibehörde Kleve vom 21. November 2007
      – VL 1-57.02.01 - wird wiederhergestellt. 


   


Gründe: 


1  


Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen
      Anordnung betrifft ein für sofort vollziehbar erklärtes
      Versammlungsverbot. Die Kammer hat die Begründung ihrer
      Entscheidung gemäß § 32 Abs. 5 in Verbindung mit
      § 93d Abs. 2 BVerfGG nach Bekanntgabe des
      Beschlusses schriftlich abgefasst. 

 

I. 


2  


Die Antragstellerin meldete für Samstag, den
      1. Dezember 2007 eine öffentliche Versammlung unter freiem
      Himmel zu dem Thema „Todesstrafe für Kinderschänder/gegen
      Inländerdiskriminierung“ an. Diese Versammlung verbot die
      Kreispolizeibehörde mit für sofort vollziehbar erklärter
      Verfügung vom 21. November 2007. 


3  


Die Antragstellerin erhob hiergegen Klage und
      beantragte Eilrechtsschutz gem. § 80
      Abs. 5 VwGO, den das Verwaltungsgericht Düsseldorf
      mit Beschluss vom 28. November 2007 versagte. Die hiergegen
      gerichtete Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht für das
      Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 30. November 2007
      zurück. 


4  


Die gebotene Interessenabwägung gehe zu Lasten
      der Antragstellerin, weil alles dafür spreche, dass das
      Versammlungsverbot nach § 15 Abs. 1 VersG
      gerechtfertigt sei. Angesichts des Versammlungsthemas sei zu
      befürchten, dass bei Durchführung der Versammlung die
      öffentliche Sicherheit gefährdet werde, weil der Tatbestand
      des § 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB
      verwirklicht werde. Die betroffenen Sexualtäter seien „Teile
      der Bevölkerung“ im Sinne des § 130 Abs. 1
      Nr. 1 und 2 StGB; sie würden ungeachtet der Schwere
      ihrer Schuld als Menschen ohne jede Würde und minderwertige
      Wesen ohne Lebensrecht hingestellt. Die in der Bevölkerung
      vorhandene feindselige Haltung gegen die betroffene Gruppe
      solle ins Maßlose gesteigert und als „Ventil“ die
      Wiedereinführung der Todesstrafe angeboten werden. Damit sei
      zu erwarten, dass die Versammlung im Sinne des § 130
      Abs. 1 StGB zum Hass aufstacheln werde. Jedenfalls
      in der hier vorgetragenen - die Aspekte „Schuld“ und
      „Schwere der Tat“ ausblendenden - Form sei die
      Wiedereinführung der Todesstrafe verfassungsrechtlich
      unhaltbar und ihr Verbot auch von Art. 79
      Abs. 3 GG garantiert. Da die Stimmungslage weiter
      Teile der Bevölkerung infolge aktueller Fälle von
      Kindesmissbrauch bereits aufgebracht sei, sei insbesondere
      die Verwendung des emotional aufgeladenen Begriffs
      „Kinderschänder“ konkret geeignet, das Klima aufzuhetzen und
      das Vertrauen in die Rechtssicherheit zu erschüttern. Daraus
      ergebe sich eine Eignung zur Gefährdung des öffentlichen
      Friedens. 


5  


Es sei angesichts der Umstände des Falles auch
      keine andere, der Antragstellerin günstigere
      Deutungsmöglichkeit des Versammlungsmottos zu erkennen. Der
      Wortlaut des Mottos erfasse pauschal alle Personen, die
      Kinder sexuell missbrauchen und drücke ihnen gegenüber
      Verabscheuung aus. Eine differenzierende Betrachtungsweise,
      wie sie etwa dem Parteiprogramm der NPD zu entnehmen sei,
      werde hier gerade nicht vorgenommen. Sie komme insbesondere
      auch in den die geplante Versammlung begleitenden
      Flugblättern nicht zum Ausdruck. Auch dort werde auf das
      Thema in emotionaler Sprache und in einer Form eingegangen,
      die ersichtlich auf Herabwürdigung der Täter und solcher
      Personen ziele, die sich nicht für die Todesstrafe
      einsetzen. 


6  


Die Antragstellerin sieht sich in ihrer
      Versammlungsfreiheit verletzt. Thema der Versammlung sei
      nicht die Einführung der Todesstrafe ohne Rücksicht auf die
      Schwere der Tat und die Schuld des Täters. Das Anliegen der
      Antragstellerin ziele auch nicht darauf, den Tätern ihr Recht
      auf ein faires Strafverfahren zu nehmen. Es müsse zulässig
      sein, im Rahmen einer Versammlung solche Forderungen
      aufzustellen, deren Verwirklichung im Rahmen des
      Grundgesetzes nicht völlig ausgeschlossen sei. Die
      Wiedereinführung der Todesstrafe sei ein Anliegen, das mit
      dem Grundgesetz zu vereinbaren wäre. Insbesondere stehe
      Art. 102 GG einem solchen Anliegen nicht
      grundsätzlich entgegen, da diese Vorschrift geändert werden
      könne und insbesondere nicht der Garantie des Art. 79
      Abs. 3 GG unterliege. Die Todesstrafe sei nicht in
      jedem Fall ein Verstoß gegen die Menschenwürde. Sie sei in
      verschiedenen Ländern zulässig; ihre Einführung werde auch
      andernorts gefordert. 

 

II. 


7  


Der zulässige Antrag auf Erlass einer
      einstweiligen Anordnung ist begründet. 


8  


1. Nach
      § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das
      Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch
      einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr
      schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder
      aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend
      geboten ist. 


9  


Im Eilrechtsschutzverfahren sind die
      erkennbaren Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde zu
      berücksichtigen, wenn - wie hier - aus Anlass eines
      Versammlungsverbots über einen Antrag auf einstweiligen
      Rechtsschutz zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
      eines Rechtsbehelfs zu entscheiden ist und ein Abwarten bis
      zum Abschluss des Verfassungsbeschwerdeverfahrens oder des
      Hauptsacheverfahrens den Versammlungszweck mit hoher
      Wahrscheinlichkeit vereitelte. Ergibt die Prüfung im
      Eilrechtsschutzverfahren, dass eine Verfassungsbeschwerde
      offensichtlich begründet wäre, läge in der Nichtgewährung von
      Rechtsschutz der schwere Nachteil für das gemeine Wohl im
      Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG (vgl. BVerfGE
      111, 147 <153>). 


10  


2. Die dem Bundesverfassungsgericht im
      Eilrechtsverfahren allein mögliche vorläufige Prüfung lässt
      eine Rechtsgrundlage für das ausgesprochene
      Versammlungsverbot nicht erkennen. Das
      Bundesverfassungsgericht legt der Prüfung des Eilantrags in
      aller Regel die Tatsachenfeststellungen und
      Tatsachenwürdigungen in den angegriffenen Entscheidungen
      zugrunde. Etwas anderes gilt, wenn die
      Tatsachenfeststellungen offensichtlich fehlsam sind oder die
      Tatsachenwürdigung unter Berücksichtigung der betroffenen
      Grundrechtsnormen offensichtlich nicht trägt (vgl. BVerfGE
      110, 77 <87 f.>; 111, 147 <153>; BVerfGK 3,
      97 <99>). Einstweiliger Rechtsschutz ist insbesondere
      zu gewähren, wenn die Behörde oder die Gerichte ihre
      Gefahrenprognose auf Umstände gestützt haben, deren
      Berücksichtigung dem Schutzgehalt des Art. 8 GG
      offensichtlich widerspricht (vgl. BVerfG, Beschluss der 1.
      Kammer des Ersten Senats vom 18. August 2000 - 1 BvQ
      23/00 -, NJW 2000, S. 3053 <3054>; Beschluss
      der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. September 2000
      - 1 BvQ 24/00 -, NVwZ 2000, S. 1406
      <1407>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom
      6. Juni 2007 – 1 BvR 1423/07 –, NJW 2007, S. 2167
      <2168>). 


11  


Die Anordnung eines Versammlungsverbots lässt
      sich hier nicht auf eine Gefährdung der öffentlichen
      Sicherheit im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG stützen.
      Das Verbot gründet im vorliegenden Fall auf der Annahme,
      angesichts des Themas der Versammlung sei davon auszugehen,
      dass bei deren Durchführung der Tatbestand der
      Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 und
      2 StGB erfüllt werde, weil zu erwarten sei, dass die
      Antragstellerin die Forderung nach der Wiedereinführung der
      Todesstrafe zum Gegenstand ihrer Versammlung mache, welche
      die Täter des sexuellen Missbrauchs von Kindern pauschal ohne
      Differenzierung nach der Schwere der Tat und ohne Rücksicht
      auf die Schuld des Täters treffen und ihnen so die
      Menschenwürde absprechen solle. 


12  


Es ist schon zweifelhaft, ob der rechtliche
      Ausgangspunkt des Oberverwaltungsgerichts, die pauschale und
      undifferenzierte Forderung nach Einführung der Todesstrafe
      für Kinderschänder könne den Tatbestand der Volksverhetzung
      erfüllen, verfassungsrechtlich tragfähig ist. Jedenfalls aber
      hält die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts einer
      verfassungsrechtlichen Prüfung schon deshalb nicht stand,
      weil das Gericht seiner die Entscheidung tragenden
      rechtlichen Bewertung eine offensichtlich nicht tragfähige
      Deutung des Versammlungsthemas zugrunde gelegt hat. 


13  


Soweit sich das Verbot einer Versammlung auf
      den Inhalt von Aussagen bezieht - dies ist bei der Anknüpfung
      an das Motto der Versammlung und die zu erwartenden
      Äußerungen der Versammlungsteilnehmer der Fall -, ist es auch
      am Maßstab des Art. 5 Abs. 1, 2 GG zu
      beurteilen (vgl. BVerfGK 7, 221 <227>). Der Inhalt
      einer Meinungsäußerung, der im Rahmen des Art. 5 GG
      nicht unterbunden werden darf, kann daher auch nicht zur
      Begründung von Maßnahmen herangezogen werden, die das
      Grundrecht des Art. 8 GG beschränken (vgl. BVerfGE
      90, 241 <246>; 111, 147 <155>). 


14  


Eine inhaltliche Begrenzung von
      Meinungsäußerungen kommt, soweit sie nicht dem Schutze der
      Jugend oder dem Recht der persönlichen Ehre dient, nur im
      Rahmen der allgemeinen Gesetze im Sinne des Art. 5
      Abs. 2 GG in Betracht. Werden die entsprechenden
      Strafgesetze durch Meinungsäußerungen missachtet, so liegt
      darin zugleich eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit.
      Eine so begründete Gefahr kann durch die Ordnungsbehörden
      abgewehrt werden, und zwar auch mit Auswirkungen auf
      Versammlungen (vgl. BVerfGE 111, 147 <156>). 


15  


Bei der Auslegung und Anwendung der insoweit
      in Betracht gezogenen Strafgesetze – hier des
      § 130 StGB – haben die Gerichte der wertsetzenden
      Bedeutung der Meinungsfreiheit für eine demokratische
      Gesellschaft Rechnung zu tragen. Es gilt hierbei die
      Vermutung zugunsten freier Rede in öffentlichen
      Angelegenheiten (vgl. BVerfGE 7, 198 <208>; stRspr).
      Die Bürger sind grundsätzlich auch frei, grundlegende
      Wertungen der Verfassung in Frage zu stellen oder die
      Änderung tragender Prinzipien zu fordern (vgl. BVerfGK 2, 1
      <5>; 7, 221 <227>). Weichenstellend für die
      Prüfung einer Grundrechtsverletzung ist die Erfassung des
      Inhalts der betreffenden Äußerung, der unter Berücksichtigung
      der Umstände des Einzelfalls aus der Sicht eines
      unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums zu
      ermitteln ist (vgl. allgemein BVerfGE 93, 266 <295>;
      114, 339 <348>); im Falle mehrdeutiger Äußerungen ist
      bei der Anwendung sanktionierender Normen die dem sich
      Äußernden günstigere Deutung zugrundezulegen (vgl. BVerfGE
      93, 266 <295 ff.>; 94, 1 <9>; 114, 339
      <349>). 


16  


Die Notwendigkeit der Berücksichtigung
      begleitender Umstände ergibt sich in besonderer Weise dann,
      wenn die betreffende Formulierung ersichtlich ein Anliegen
      nur in schlagwortartiger Form zusammenfasst. Ein solcher Fall
      liegt typischerweise bei dem „Motto“ einer Versammlung vor,
      das in der Regel nur den Kern eines Anliegens in knappen
      Worten zum Ausdruck bringen kann. Die Versammlungsfreiheit
      schützt auch das Interesse des Veranstalters, auf einen
      Beachtungserfolg nach seinen Vorstellungen zu zielen (vgl.
      BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 6. Juni
      2007 – 1 BvR 1423/07 –, NJW 2007, S. 2167 <2168>),
      so dass auch das Interesse, ein schlagwortartiges
      Versammlungsmotto zu formulieren, dem Schutz des Art. 8
      Abs. 1 GG unterfällt. Dass ein solches Motto eine
      Forderung nur pauschal und undifferenziert zum Ausdruck
      bringt, erlaubt für sich allein nicht die Prognose, auch die
      Versammlung werde sich undifferenziert mit dem Thema
      befassen. 


17  


Die im vorliegenden Fall die Entscheidung des
      Oberverwaltungsgerichts tragende Prognose, es seien im
      Verlauf der Versammlung Äußerungen zu erwarten, die aufgrund
      ihrer Pauschalität und Undifferenziertheit den
      Straftatbestand des § 130 Abs. 1 Nr. 1 und
      2 StGB erfüllen würden, kann daher nur dann
      gerechtfertigt sein, wenn sich diese Prognose aus weiteren,
      dem Veranstalter zuzuordnenden Umständen, insbesondere
      Aussagen ergibt, bei deren Deutung wiederum die einschlägigen
      verfassungsrechtlichen Maßstäbe anzulegen sind. 


18  


Diese Anforderungen hat das
      Oberverwaltungsgericht ersichtlich verfehlt. In den
      Vordergrund seiner der Prüfung des Straftatbestandes des
      § 130 StGB zugrunde liegenden Deutung des
      Versammlungsanliegens stellt es das pauschal formulierte
      Motto der Versammlung. Das Gericht geht zwar davon aus, dass
      auch die Begleitumstände zu berücksichtigen sind, wobei
      jedenfalls die Heranziehung des in unmittelbarem zeitlichen
      Zusammenhang mit der geplanten Versammlung verbreiteten
      Flugblattes verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
      Jedoch stellt das Oberverwaltungsgericht lediglich fest, dass
      das Flugblatt der Einschätzung, das Versammlungsmotto sei
      pauschal und undifferenziert formuliert, nicht entgegenstehe
      und greift in diesem Zusammenhang einzelne als pauschal
      herabwürdigend angesehene Ausdrücke und Formulierungen
      heraus. Die stattdessen gebotene Würdigung dahin, ob sich
      gerade aus dem Flugblatt eine lediglich pauschale und
      undifferenzierte Forderung ergebe, nimmt das
      Oberverwaltungsgericht dagegen nicht vor. 


19  


Soweit es ferner auf die Frage eingeht, ob die
      Ausführungen im Flugblatt der über das Motto getroffenen
      Einschätzung entgegenstehen könnten, würdigt das
      Oberverwaltungsgericht den Aussagegehalt des Flugblattes
      ersichtlich unvollständig und erfasst ihn damit nicht
      zutreffend. So hätte das Gericht zu seiner Einschätzung, auch
      das Flugblatt fordere pauschal und ohne Differenzierung nach
      Tatschwere und Schuld die Todesstrafe für alle Täter von
      Sexualstraftaten gegen Kinder, nicht gelangen dürfen, ohne in
      Betracht zu ziehen, dass das Flugblatt nicht pauschal die
      Todesstrafe, sondern „Todesstrafe oder tatsächlich
      lebenslange Haft“ fordert und zwar lediglich „für
      Schwerverbrecher“, wobei insoweit insbesondere ein
      Zusammenhang zu den Begriffen „Mörder“ und „Kindermorde“
      hergestellt wird. Als weitere Alternative zum Umgang mit
      „Triebtätern“ wird ferner gefordert, das „Prinzip der
      Sicherungsverwahrung“ müsse „konsequent zur Anwendung
      kommen“. Ohne hierauf einzugehen, hätte das
      Oberverwaltungsgericht nicht zu seiner Einschätzung gelangen
      dürfen, die zum Thema der Versammlung gemachte Forderung
      erlaube keine Differenzierung nach der Schuld der Täter und
      blende die Möglichkeit eingeschränkt oder vollständig
      schuldunfähiger Täter aus. Die ferner in dem Flugblatt
      ausdrücklich enthaltene Unterscheidung zwischen
      „Kinderschändern“ und „Kindermördern“ hätte das
      Oberverwaltungsgericht bei seiner Deutung ebenso wenig außer
      Betracht lassen dürfen wie den Umstand, dass im Vordergrund
      der dort formulierten Forderungen weniger die Tötung der
      Täter steht als vielmehr das Ziel, diese „aus dem Verkehr“ zu
      ziehen, wobei die Todesstrafe nur als eines der dafür in
      Betracht kommenden Mittel bezeichnet wird. 


20  


Ohne Würdigung dieser Aussagegehalte des von
      ihm zur Beurteilung der Gefahr herangezogenen Flugblattes
      hätte das Oberverwaltungsgericht nicht zu dem Ergebnis
      gelangen dürfen, während der Versammlung seien
      undifferenzierte Äußerungen zur Frage der Wiedereinführung
      der Todesstrafe zu erwarten, die hinter der im Parteiprogramm
      der NPD enthaltenen Forderung zurückbleibe, für bestimmte
      Fälle nach streng rechtsstaatlichem Verfahren die Todesstrafe
      wieder einzuführen. Eine solche Forderung wiederum hätte nach
      der eigenen Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts den
      Straftatbestand des § 130 StGB nicht erfüllt und somit
      keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bedeutet. 


21  


3. Nicht ersichtlich und von den Gerichten und
      der Versammlungsbehörde nicht geltend gemacht ist, dass bei
      Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung anderweitige
      Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu
      befürchten stünden, denen nicht anders als durch ein Verbot
      der Versammlung entgegengewirkt werden könnte. 


22  


Diese Entscheidung ist unanfechtbar. 


   




Papier 
Hoffmann-Riem 
Kirchhof