Fall 65
Aktenzeichen: 1 BvR 1634/04
Beck Online: NVwZ 2010 1482.0

cid 65 
 BUNDESVERFASSUNGSGERICHT 
- 1 BvR 1634/04 - 

 

 

 

Im Namen des Volkes 

 

In dem Verfahren 
      über 
      die Verfassungsbeschwerde 

 

des Herrn Z… 

 


        - Bevollmächtigter:
       

        Rechtsanwalt Wolfram Leyrer, 
        in Sozietät Leyrer & Hoppe-Willmann, 
        Hafengasse 3, 72070 Tübingen -
       

 




gegen
          a) 

den Beschluss des
          Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. Juni
          2004 - 11 LA 79/04 -, 



b) 

das Urteil des
          Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 23. Januar 2004 - 3 A
          120/02 - 



 

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des
      Bundesverfassungsgerichts durch 
den Vizepräsidenten Kirchhof 
      und die Richter Eichberger, 
      Masing 

 

am 29. Juli 2010 einstimmig beschlossen: 

 

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom
      23. Januar 2004 - 3 A 120/02 - und der Beschluss des
      Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. Juni 2004 -
      11 LA 79/04 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem
      Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. 
Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache
      wird zur Entscheidung an das Verwaltungsgericht Lüneburg
      zurückverwiesen. 
Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer
      die notwendigen Auslagen zu erstatten. 
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen
      Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000
      Euro festgesetzt. 

 

Gründe: 


1  


Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen
      verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, in denen dem
      Rechtsschutzbegehren des Beschwerdeführers gegen die
      Auferlegung von Gebühren für eine polizeiliche
      Ingewahrsamnahme im Anschluss an eine Versammlung mit der
      Begründung der Erfolg versagt wird, die inzidente Prüfung der
      Rechtmäßigkeit der dem Heranziehungsbescheid zugrunde
      liegenden polizeilichen Ingewahrsamnahme sei den
      Verwaltungsgerichten verwehrt. 

 

I. 


2  


1. Dem Ausgangsverfahren liegen folgende
      Vorschriften des einfachen Rechts zugrunde: 


3  


a) Aus dem Niedersächsischen
      Gefahrenabwehrgesetz in der Fassung vom 20. Februar 1998
      (GVBl vom 4. März 1998, S. 101 <107> - NGefAG
      a.F.): 


4  


§ 17 NGefAG a.F. 


5  


(Platzverweisung) 


6  


(1) Die Verwaltungsbehörden und die Polizei
      können zur Abwehr einer Gefahr jede Person vorübergehend von
      einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines
      Ortes verbieten. 
      ... 


7  


§ 18 NdsGefAG a.F. 


8  


(Gewahrsam) 


9  


(1) Die Verwaltungsbehörden und die Polizei
      können eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn dies 

 

... 


10  


2. unerlässlich ist, um die unmittelbar
      bevorstehende Begehung oder Fortsetzung 

 

... 


11  


b) einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher
      Gefahr für die Allgemeinheit 


12  


zu verhindern, oder 


13  


3. unerlässlich ist, um eine Platzverweisung
      nach § 17 durchzusetzen. 


14  


… 


15  


§ 19 NGefAG a.F. 


16  


(Richterliche Entscheidung) 


17  


(1) Wird eine Person auf Grund des § 13
      Abs. 2 Satz 2, des § 16 Abs. 3 oder des § 18
      festgehalten, so haben die Verwaltungsbehörden oder die
      Polizei unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die
      Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsbeschränkung
      herbeizuführen. Der Herbeiführung der richterlichen
      Entscheidung bedarf es nicht, wenn anzunehmen ist, dass die
      Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der Maßnahme
      ergehen wird. 


18  


(2) Ist die Freiheitsbeschränkung vor Erlass
      einer gerichtlichen Entscheidung beendet, so kann die
      festgehaltene Person ... innerhalb eines Monats nach
      Beendigung der Freiheitsbeschränkung die Feststellung
      beantragen, dass die Freiheitsbeschränkung rechtswidrig
      gewesen ist, wenn diese länger als acht Stunden angedauert
      hat oder für die Feststellung ein sonstiges berechtigtes
      Interesse besteht. Der Antrag kann bei dem nach Absatz 3 Satz
      2 zuständigen Amtsgericht schriftlich oder durch Erklärung zu
      Protokoll der Geschäftstelle dieses Gerichts gestellt werden.
      Die Entscheidung des Amtsgerichts ist mit sofortiger
      Beschwerde anfechtbar. Gegen die Entscheidung des
      Landgerichts ist die weitere sofortige Beschwerde nur
      statthaft, wenn das Landgericht sie wegen der grundsätzlichen
      Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt. 


19  


(3) Für die Entscheidung nach Absatz 1 ist das
      Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Person
      festgehalten wird. Für die Entscheidung nach Absatz 2 ist das
      Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Person in
      Gewahrsam genommen wurde. 
      … 


20  


b) Aus dem Niedersächsischen
      Verwaltungskostengesetz (GVBl vom 7. Mai 1962, S.
      43 ff., geändert durch Art. 5 des
      Haushaltsbegleitgesetzes 1997 vom 13. Dezember 1996,
      GVBl vom 20. Dezember 1996, S. 494, in Verbindung mit
      Art. 11 Abs. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der
      kommunalen Handlungsfähigkeit, GVBl vom 28. Mai 1996, S. 242
      <244> - NVwKostG): 


21  


§ 3 


22  


(1) Die einzelnen Amtshandlungen, für die
      Gebühren erhoben werden sollen, und die Höhe der Gebühren
      sind in Gebührenordnungen zu bestimmen. 


23  


… 


24  


§ 11 


25  


(1) Kosten, die dadurch entstanden sind, dass
      die Behörde die Sache unrichtig behandelt hat, sind zu
      erlassen. 


26  


… 


27  


§ 14 


28  


(1) Für die Benutzung öffentlicher
      Einrichtungen und Gegenstände, die sich im Eigentum oder in
      der Verwaltung des Landes befinden, können Benutzungsgebühren
      erhoben werden. 


29  


… 


30  


(2) Im übrigen finden die Vorschriften dieses
      Gesetzes über Kosten entsprechende Anwendung. 


31  


c) § 1 der Verordnung über die Gebühren
      und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen vom 5. Juni
      1997 (GVBl vom 12. Juni 1997, S. 171 - Allgemeine
      Gebührenordnung) bestimmt: 


32  


§ 1 


33  


(1) Für Amtshandlungen der Landesverwaltung ...
      sind Gebühren und Pauschbeträge für Auslagen nach dieser
      Verordnung und dem nachstehenden Kostentarif (Anlage) zu
      erheben. 
      … 


34  


Nrn. 67.1 und 67.2 der Anlage zu der
      Allgemeinen Gebührenordnung lauten (GVBl vom 12. Juni 1997,
      S. 172 <220>): 


35  


- Unterbringung im Polizeigewahrsam je
      angefangener Tag (24 Stunden) 38 DM 


36  


- Beförderung von in Gewahrsam genommenen oder
      hilflosen Personen mit Polizeifahrzeugen 70 DM 


37  


2. Am 3./4. März 2001 fand im Landkreis
      Lüchow-Dannenberg an einem Bahnübergang in Pisselberg die
      Versammlung unter dem Motto „Nacht im Gleisbett“ gegen den
      Transport von Atommüll in das Brennelemente-Zwischenlager
      Gorleben (Castor-Transport) statt. Die Versammlung wurde am
      Abend des 3. März 2001 wegen der Gefahr eines Verstoßes
      gegen das Betretungsverbot der Gleise gemäß §§ 62, 63
      der Eisenbahn-, Bau- und Betriebsordnung aufgelöst, als sich
      ein Teil der Demonstranten den Gleisen näherte. In der Folge
      versuchten mehrere Gruppen von Demonstranten einige hundert
      Meter von dem Bahnübergang entfernt, die Gleise zu besetzen.
      Sie wurden mit einem Platzverweis belegt, in Gewahrsam
      genommen und für eine Identitätsfeststellung zur
      Polizeiinspektion in Lüchow gebracht. Im Verlauf dieser
      Geschehnisse wurde auch der Beschwerdeführer nach dem
      polizeilichen Kurzbericht um 21:40 Uhr in Gewahrsam genommen,
      gegen 23:55 Uhr mit einem Dienstfahrzeug nach Lüchow
      transportiert und um 2:34 Uhr des Folgetages wieder
      entlassen. Eine richterliche Entscheidung über die
      Zulässigkeit der polizeilichen Maßnahmen wurde nicht
      herbeigeführt. 


38  


3. Mit Heranziehungsbescheid vom 4. September
      2001 wurden dem Beschwerdeführer gegenüber gemäß §§ 3
      Abs. 1, 14 NVwKostG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 AllGO
      in Verbindung mit Nrn. 67.1. und 67.2. der Anlage zu der
      Allgemeinen Gebührenordnung Kosten für die Unterbringung in
      Gewahrsam und die Beförderung in Höhe von insgesamt 108 DM
      festgesetzt. 


39  


4. Mit angegriffenem Urteil vom 23. Januar
      2004 wies das Verwaltungsgericht die Klage des
      Beschwerdeführers auf Aufhebung des Heranziehungsbescheides
      ab. Das Verwaltungsgericht sei nicht zuständig, die
      Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme inzident als Vorfrage im
      Rahmen der Prüfung des Heranziehungsbescheides zu prüfen. Der
      Gesetzgeber habe sich wegen der Sach- und Ortsnähe der
      Amtsgerichte für eine abdrängende Sonderzuweisung nach
      § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO an die ordentlichen Gerichte
      entschieden. Mache der Beschwerdeführer von diesen
      verfahrensrechtlichen Möglichkeiten keinen Gebrauch, liege
      das in seinem Risikobereich, mit der Folge, dass er wegen der
      umfassenden Rechtsschutzkonzentration auf die ordentliche
      Gerichtsbarkeit nicht nachträglich in einem
      verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Überprüfung der
      Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme erreichen könne. Ob, wie
      der Beschwerdeführer vorgetragen habe, dem Richtervorbehalt
      nicht genüge getan worden sei, ihm gegenüber kein
      Platzverweis ergangen sei, der seine Ingewahrsamnahme gemäß
      § 18 Abs. 1 Nr. 3 NGefAG a.F. gerechtfertigt hätte,
      und seine Ingewahrsamnahme auch nicht unerlässlich im Sinne
      von § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b NGefAG a.F. gewesen
      sei, dürfe das Verwaltungsgericht nicht prüfen. Zwar könne
      eine gegen Art. 8 GG verstoßende Maßnahme keine
      Kostenansprüche begründen. Dies hätten auch die
      Verwaltungsgerichte bei Überprüfung des
      Heranziehungsbescheides zu beachten. Allerdings sei das
      Verwaltungsgericht in dem von dem Veranstalter der
      Versammlung „Nacht im Gleisbett“ angestrengten Verfahren
      gegen die Auflösung der Versammlung am 3. März 2001 und die
      anschließende Räumung der Gleise durch die Polizei zu dem
      Ergebnis gelangt, dass die Auflösung der Versammlung und die
      Räumung der Gleise rechtmäßig gewesen seien. 


40  


5. Mit angegriffenem Beschluss vom 14. Juni
      2004 lehnte das Oberverwaltungsgericht den Antrag auf
      Zulassung der Berufung unter Bezugnahme auf eine vorangehende
      Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren ab. Für die
      Beantwortung der Rechtsfrage, ob das Verwaltungsgericht eine
      behauptete Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme als Vorfrage
      im Rahmen der Kontrolle des Heranziehungsbescheides inzident
      prüfen müsse, bedürfe es keines Berufungsverfahrens, weil sie
      durch Auslegung der einschlägigen Vorschriften hinreichend
      beantwortet werden könne beziehungsweise nicht
      entscheidungserheblich sei. Es entspreche einer sinnvollen
      Ordnung der Rechtswege, dass verschiedene Gerichte nicht
      aufgrund desselben Sachverhalts über dieselbe Rechtsfrage
      befänden. Für die Verwaltungsgerichte werde innerhalb der
      Schrittfolge Grundrechtsschutz, Ingewahrsamnahme und
      Heranziehungsbescheid der Prüfungsrahmen nur hinsichtlich des
      mittleren Schrittes aufgehoben, nicht jedoch hinsichtlich der
      beiden anderen Schritte. Entsprechend habe das
      Verwaltungsgericht mit einbezogen, dass die Räumung der
      Gleise rechtmäßig gewesen und die Blockade der Gleise nicht
      durch das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gedeckt
      sei. 


41  


6. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der
      Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung seines
      Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs.
      4 GG. 


42  


7. Die Rechtsnachfolgerin der Gegnerin des
      Ausgangsverfahrens, die Polizeidirektion Lüneburg, hat zu der
      Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Dagegen hat das
      Niedersächsische Justizministerium von einer Stellungnahme
      abgesehen. Die Akte des Ausgangsverfahrens hat dem
      Bundesverfassungsgericht vorgelegen. 

 

II. 


43  


Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß
      § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung
      angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des
      Beschwerdeführers angezeigt ist. 


44  


1. Das Bundesverfassungsgericht hat die
      maßgeblichen Fragen zur Reichweite der Gewährleistung des
      Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs.
      4 GG bereits entschieden und dabei auch die zu
      berücksichtigenden Grundsätze entwickelt (vgl. BVerfGE 51,
      176 <185>; 96, 27 <39>; 101, 106
      <122 f.>; 104, 220 <232>; speziell zu
      § 124 Abs. 2 VwGO: BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des
      Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000,
      S. 1163 <1164>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten
      Senats vom 8. März 2001 - 1 BvR 1653/99 -, NVwZ 2001, S. 552
      <553>; BVerfGK 10, 208 <213>; Beschluss der
      3. Kammer des Ersten Senats vom 21. Januar 2009 - 1 BvR
      2524/06 -, NVwZ 2009, S. 515 <516>; Beschluss der 1.
      Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR
      814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>). 


45  


2. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im
      Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich
      begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den
      Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf effektiven
      Rechtsschutz gegenüber der öffentlichen Gewalt aus
      Art. 19 Abs. 4 GG. 


46  


a) Das Verfahrensgrundrecht des Art. 19
      Abs. 4 GG garantiert demjenigen den Rechtsweg, der geltend
      macht, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten
      verletzt zu sein. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet auf
      diese Weise nicht einen bestimmten Rechtsweg. Vielmehr wird
      dem einzelnen Bürger durch dieses Grundrecht lediglich
      garantiert, dass ihn beeinträchtigende hoheitliche Maßnahmen
      in irgendeinem gerichtlichen Verfahren überprüft werden
      können. In diesem Sinne enthält Art. 19 Abs. 4 GG ein
      Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen
      richterlichen Rechtsschutz gegen Verletzungen der
      Individualsphäre durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt
      (vgl. BVerfGE 51, 176 <185>; 67, 43 <58>; 96, 27
      <39>; 101, 106 <122 f.>). Dieser
      Rechtsschutz darf sich dabei nicht in der bloßen Möglichkeit
      der Anrufung eines Gerichts erschöpfen, sondern muss zu einer
      wirksamen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht
      durch ein mit zureichender Entscheidungsmacht ausgestattetes
      Gericht führen (vgl. BVerfGE 60, 253 <297>; 67, 43
      <58>; 101, 106 <123>). 


47  


Der Rechtsweg, den Art. 19 Abs. 4 GG dem
      Einzelnen gewährleistet, bedarf allerdings der gesetzlichen
      Ausgestaltung. Rechtsschutz ist eine staatliche Leistung,
      deren Voraussetzungen erst geschaffen, deren Art näher
      bestimmt und deren Umfang im Einzelnen festgelegt werden
      müssen. Art. 19 Abs. 4 GG gibt dem Gesetzgeber dabei nur
      die Zielrichtung und die Grundzüge der Regelung vor, lässt
      ihm im Übrigen aber einen beträchtlichen
      Gestaltungsspielraum. Doch darf er die Notwendigkeit einer
      umfassenden Nachprüfung des Verwaltungshandelns in
      tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und eine dem
      Rechtsschutzbegehren angemessene Entscheidungsart und
      Entscheidungswirkung nicht verfehlen (vgl. BVerfGE 101, 106
      <123 f.>). 


48  


Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG zwar
      keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 78, 88 <99>; 87, 48
      <61>). Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere
      Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger
      in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne
      eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Das
      Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Rechtsordnung
      eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für
      den Beschwerdeführer „leerlaufen“ lassen (vgl. BVerfGE 78, 88
      <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <232>).
      Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine
      den Zugang zu einem Rechtsmittel erschwerende Auslegung und
      Anwendung der einschlägigen Verfahrensvorschriften, wenn sie
      sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv
      willkürlich erweist und dadurch den Zugang zur nächsten
      Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfG, Beschluss der 1.
      Kammer des Ersten Senats vom 4. November 2008 - 1 BvR 2587/06
      -, NJW 2009, S. 572 <573>). Das Gleiche gilt, wenn das
      Prozessrecht – wie hier in den §§ 124, 124a VwGO – den
      Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung
      eines Rechtsmittels zu erstreiten. Dieses Gebot wiederum
      beansprucht Geltung nicht nur hinsichtlich der Anforderungen
      an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs.
      4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise ebenso für die
      Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe selbst (vgl.
      BVerfGK 10, 208 <213>; Beschluss der 1. Kammer des
      Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW
      2009, S. 3642). 


49  


b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen
      wird die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts
      nicht gerecht. Die von dem Verwaltungsgericht gefundene
      Auslegung der maßgeblichen landesrechtlichen Vorschriften ist
      mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs.
      4 GG nicht vereinbar. Indem sich das Verwaltungsgericht
      weigerte, im Rahmen der Kontrolle des Heranziehungsbescheides
      inzident die Rechtmäßigkeit der polizeilichen
      Ingewahrsamnahme zu überprüfen, hat es seine Pflicht zu einer
      in rechtlicher Hinsicht umfassenden Nachprüfung des
      Verwaltungshandelns verletzt. 


50  


aa) Der Landesgesetzgeber hat sich mit
      § 19 Abs. 3 NGefAbwG a.F. dafür entschieden, den
      Amtsgerichten im Wege der abdrängenden Sonderzuweisung nach
      § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO den Rechtsschutz unmittelbar
      gegen die Ingewahrsamnahme anzuvertrauen, dagegen die
      nachgelagerte Prüfung der Rechtmäßigkeit des auf der
      Ingewahrsamnahme beruhenden Heranziehungsbescheides und, auf
      das Versammlungsrecht bezogen, die vorgelagerte Prüfung der
      Rechtmäßigkeit der Auflösung der Versammlung bei den
      Verwaltungsgerichten zu belassen. Diese gesetzgeberische
      Entscheidung führt bei einer Kette von Hoheitsakten im
      Ergebnis zu einer Rechtswegspaltung. Eine solche
      Rechtswegspaltung hat indes nicht automatisch zur Folge, dass
      es einem angerufenen Gericht verwehrt ist, Vorfragen zu
      prüfen, die, wären sie Hauptfrage, in den
      Zuständigkeitsbereich eines anderen Gerichts fielen. 


51  


Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG, der über
      § 83 Satz 1 VwGO auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit
      Anwendung findet, gilt der Grundsatz, dass das Gericht des
      zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in
      Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet.
      Dies bedeutet nach allgemeinem Verständnis, dass das Gericht
      des zulässigen Rechtsweges auch rechtswegfremde,
      entscheidungserhebliche Vorfragen prüft und über sie
      entscheidet (vgl. zur Intention des Gesetzgebers:
      Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des
      verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom 27. April 1990,
      BTDrucks 11/7030, S. 37; aus der Literatur:
      Kissel/Mayer, GVG, 5. Aufl. 2008, § 13 Rn. 17;
      Wittschier, in: Musielak, ZPO und Nebengesetze, 7. Aufl.
      2009, § 17 GVG Rn. 1; Reimer, in: Posser/Wolff,
      Beck`scher Online-Kommentar VwGO, § 40, Rn. 228;
      Zimmermann, in: Münchener Kommentar, ZPO und Nebengesetze, 3.
      Aufl. 2008, § 17 GVG Rn. 2). 


52  


Bei der Frage der Rechtmäßigkeit der
      polizeilichen Ingewahrsamnahme handelt es sich um eine solche
      entscheidungserhebliche Vorfrage im Sinne von § 17 Abs.
      2 Satz 1 GVG. Sie betrifft die Auslegung und Anwendung des in
      § 18 NGefAG a.F. geregelten Gewahrsams. Unmittelbarer
      Prüfungsgegenstand in dem verwaltungsgerichtlichen
      Ausgangsverfahren ist der gemäß §§ 3 Abs. 1, 14
      NVwKostG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 AllGO in
      Verbindung mit Nrn. 67.1 und Nr. 67.2 der Anlage erlassene
      Heranziehungsbescheid. Im Rahmen der Prüfung der
      Rechtmäßigkeit des staatlichen Zahlungsanspruchs in Form des
      Heranziehungsbescheides ist nach § 11 Abs. 1 NVwKostG
      auch die Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Amtshandlung
      zu untersuchen, da die Vorschrift einen Kostenerlass bei
      „unrichtiger Sachbehandlung“ vorsieht. Dieser Kostenerlass
      gilt auch für rechtswidrige Realakte (vgl. speziell für das
      niedersächsische Landesrecht: Loeser, NVwKostG, Lfg. 1999,
      § 1, S. 17, und § 11, S. 2 ff.). 


53  


Etwas anderes kann das Verwaltungsgericht
      verfassungsrechtlich tragfähig nicht allein darauf stützen,
      dass der niedersächsische Landesgesetzgeber mit § 19
      Abs. 3 Satz 1 und 2 NGefAbwG a.F. in Verbindung mit § 19
      Abs. 1 und 2 NGefAG a.F. neben dem präventiven, gegen die
      noch andauernde Freiheitsentziehung gerichteten Rechtsschutz
      auch den nachträglichen, auf Feststellung der
      Rechtswidrigkeit der Freiheitsbeschränkung abzielenden
      Rechtsschutz nach deren Beendigung den Amtsgerichten
      zugewiesen hat. § 19 Abs. 3 Satz 1 und 2 NGefAG a.F.
      ordnet seinem Wortlaut nach auch nicht andeutungsweise an,
      dass mit der Zuweisung der Überprüfung des
      freiheitsbeeinträchtigenden Hoheitsaktes an die Amtsgerichte
      im Falle eines weiteren daran anknüpfenden Hoheitsaktes, der
      vor den Verwaltungsgerichten angegriffen werden muss,
      letzteren ausnahmsweise die inzidente Prüfung des
      freiheitsbeeinträchtigenden Hoheitsaktes verwehrt sein soll.
      Aus der Gesetzesbegründung bei Einführung der Regelung ist
      ein solcher Ausschluss ebenfalls nicht herzuleiten (vgl.
      Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Niedersächsisches
      Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 16.
      Oktober 1979, LTDrucks 9/1090, S. 81). Dass der Gesetzgeber
      die Frage der Rechtmäßigkeit einer Ingewahrsamnahme auch
      dort, wo sie nur Vorfrage ist, immer einem vorgelagerten
      eigenen Rechtsschutzverfahren vor den ordentlichen Gerichten
      vorbehalten wollte und unter dem Gesichtspunkt des Gebots
      effektiven Rechtsschutzes zumutbar vorbehalten konnte, legt
      das Verwaltungsgericht auch sonst nicht in einer den
      verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Weise dar.
      Ohne hinreichenden Grund weicht es somit von dem Gebot, den
      Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen
      Gesichtspunkten zu entscheiden, ab. 


54  


bb) Soweit das Verwaltungsgericht darauf
      verweist, dass einer Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit der
      polizeilichen Ingewahrsamnahme durch die Verwaltungsgerichte
      Erwägungen der Prozessökonomie entgegenstünden, genügen diese
      Ausführungen den verfassungsrechtlichen Anforderungen des
      Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Das Verwaltungsgericht sieht
      dabei das Amtsgericht als das gegenüber den
      Verwaltungsgerichten insoweit sach- und ortsnähere Gericht
      an. Es hat dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass es in
      dessen Risikobereich falle, wenn er von der
      Rechtsschutzmöglichkeit vor den Amtsgerichten nach § 19
      Abs. 2 Satz 1 NGefAG a.F. keinen Gebrauch mache. Dieser
      Einwand greift indes nicht durch. 


55  


Von einer zurechenbaren Versäumung eigener
      Rechtsverteidigung kann nur dort gesprochen werden, wo der
      Regelungsgehalt und die Folgen eines Hoheitsaktes innerhalb
      der für die Einlegung des Rechtsbehelfs vorgesehenen Frist
      erkennbar sind (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG,
      Art. 19 Rn. 239 ). Das einschlägige
      Landesrecht schließt die Inzidentprüfung der polizeilichen
      Ingewahrsamnahme durch die Verwaltungsgerichte im Rahmen der
      Kontrolle nachgelagerter Hoheitsakte weder für den Einzelnen
      erkennbar aus noch ordnet es - wie in anderen Bereichen
      für gestuftes behördliches Handeln - auf der Grundlage
      eines formalisierten Verfahrens eine materielle Präklusion
      der gegen die Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme gerichteten
      Einwände an. Der Hoheitsakt der polizeilichen
      Ingewahrsamnahme entfaltet daher für den später erlassenen
      Heranziehungsbescheid keine wie auch immer geartete
      Vorwirkung (vgl. § 11 Abs. 1 NVwKostG).
      Dementsprechend muss sich der betroffene Bürger, wendet er
      sich gegen den später erlassenen Heranziehungsbescheid, nicht
      entgegenhalten lassen, dass er zuvor von der
      Rechtsschutzmöglichkeit gegen die polizeiliche
      Ingewahrsamnahme keinen Gebrauch gemacht hat. 


56  


Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht auch
      nicht geprüft, ob dem Beschwerdeführer nach der damals
      geltenden gesetzlichen Ausgestaltung des Rechtswegs diese
      Rechtsschutzmöglichkeit tatsächlich offen stand. Die
      Vorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 1 NGefAG a.F. eröffnete
      den Rechtsweg zu den Amtsgerichten nur für den Fall, dass die
      Freiheitsbeschränkung entweder länger als acht Stunden
      andauerte oder für die Feststellung ein „sonstiges
      berechtigtes Interesse“ bestand. Innerhalb der Monatsfrist
      kam ein solcher Feststellungsantrag jedoch nicht in Betracht,
      weil der Beschwerdeführer die hierfür gesetzlich speziell
      ausgeformte Sachentscheidungsvoraussetzung des
      Rechtsschutzbedürfnisses nicht erfüllte (vgl. zu den Zweifeln
      an der Verfassungsmäßigkeit dieser speziellen Anforderungen:
      OLG Celle,  Beschluss vom 13.
      Januar 2003 - 17 W 40/02 - unter Berufung auf: BVerfGE 104,
      220 <235>; im Anschluss daran: Gesetzentwurf der
      Landesregierung für ein Niedersächsisches Gesetz über die
      öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 16. Oktober 1979,
      LTDrucks 9/1090, S. 81). Weder dauerte die polizeiliche
      Ingewahrsamnahme des Beschwerdeführers länger als acht
      Stunden, noch legt das Verwaltungsgericht näher dar, dass der
      Beschwerdeführer ein gesichertes „sonstiges berechtigtes
      Interesse“ im Sinne der Vorschrift des § 19 Abs. 2
      Satz 1 NGefAG a.F. an einer gerichtlichen Feststellung
      hätte geltend machen können. Der Hinweis des
      Verwaltungsgerichts auf eine seiner Ansicht nach vorrangige
      Entscheidung der Amtsgerichte geht damit ins Leere. 


57  


cc) Die weiteren Erwägungen des
      Verwaltungsgerichts erweisen sich verfassungsrechtlich
      ebenfalls als nicht tragfähig. Da Rechtsschutz nach § 19
      Abs. 2 Satz 1 NGefAG a.F nicht in Betracht kam, greift
      dementsprechend der vom Verwaltungsgericht geltend gemachte
      Einwand bezüglich der - gegenüber den Verwaltungsgerichten
      herausgehobenen - Sach- und Ortsnähe der Amtsgerichte nicht
      durch. Auch der von dem Verwaltungsgericht in der Sache
      vertretene Standpunkt, dem Grundrechtsschutz werde dadurch
      Genüge getan, dass zwar nicht die Rechtmäßigkeit der
      Ingewahrsamnahme, wohl aber die Rechtmäßigkeit der Auflösung
      der Versammlung, die der Ingewahrsamnahme vorausging, geprüft
      werde, trägt nicht. Die Prüfung, ob die Auflösung der
      Versammlung gemäß dem Versammlungsgesetz des Bundes
      rechtmäßig war, vermag den Verzicht auf die Prüfung, ob die
      Ingewahrsamnahme nach niedersächsischem Polizeirecht
      rechtmäßig war, nicht zu kompensieren. Beide Maßnahmen
      unterfallen jeweils unterschiedlichen Regelungsregimen, die
      sich gegenseitig ausschließen. Das Versammlungsgesetz geht in
      seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen
      Polizeirecht vor (vgl. BVerfGK 4, 154 <158>). Auch
      decken sich die Tatbestandsvoraussetzungen für die Auflösung
      nicht annährend mit denjenigen für die Ingewahrsamnahme.
      Diese setzt in formeller Hinsicht voraus, dass entweder nach
      § 19 Abs. 1 Satz 1 NGefAG a.F unverzüglich eine
      richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer
      der Freiheitsentziehung herbeigeführt wird beziehungsweise
      dass nach § 19 Abs. 1 Satz 2 NGefAG a.F ausnahmsweise
      auf die Einhaltung des Richtervorbehalts verzichtet werden
      kann. In materieller Hinsicht ist für eine rechtmäßige
      Ingewahrsamnahme erforderlich, dass sie gemäß § 18 Abs.
      1 Nr. 2 Buchstabe b NGefAG a.F unerlässlich ist, um die
      unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer
      Ordnungswidrigkeit von erheblicher Gefahr für die
      Allgemeinheit zu verhindern, oder dass sie gemäß § 18
      Abs. 1 Nr. 3 NGefAG a.F unerlässlich ist, um eine
      Platzverweisung nach § 17 NGefAG a.F durchzusetzen.
      Schließlich ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung,
      insbesondere im Hinblick auf die Dauer der Maßnahme,
      vorzunehmen (vgl. 4 Abs. 3 NGefAG a.F). 


58  


c) Auch die angegriffene Entscheidung des
      Oberverwaltungsgerichts genügt den verfassungsrechtlichen
      Anforderungen nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat den
      Zugang des Beschwerdeführers zum Berufungsrechtszug dadurch
      in unzumutbarer Weise erschwert, dass es die Zulassung der
      Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 124
      Abs. 2 Nr. 3 VwGO in sachlich nicht zu rechtfertigender
      und damit willkürlicher Art und Weise abgelehnt hat. 


59  


Von grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 124
      Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist eine Rechtssache immer dann, wenn es
      maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall
      hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse
      der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten
      erscheint. 


60  


Ausgehend hiervon hat das
      Oberverwaltungsgericht die grundsätzliche Bedeutung der
      Rechtsfrage zum Zeitpunkt der Entscheidung in sachlich nicht
      zu rechtfertigender Weise verneint. Insbesondere durfte es
      die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht, worauf es
      seine Entscheidung maßgeblich stützt, unter Verweis auf den
      (eigenen) im Prozesskostenhilfeverfahren unter anderen
      Verfahrensbeteiligten ergangenen Beschluss vom 21. November
      2003 - 11 PA 345/03 - (NVwZ 2004, S. 760
      <760 f.>) verneinen. Aufgrund seines lediglich
      summarischen Charakters darf das Prozesskostenhilfeverfahren
      nicht dazu benutzt werden, über ungeklärte Rechtsfragen
      abschließend vorweg zu entscheiden. Ein Fachgericht, das
      § 114 Satz 1 ZPO dahin auslegt, dass auch
      schwierige, noch nicht geklärte Rechtsfragen im
      Prozesskostenhilfe-Verfahren „durchentschieden“ werden
      können, verkennt die Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1 in
      Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten
      Rechtsschutzgleichheit (vgl. BVerfGE 81, 347
      <358 f.>). 


61  


Die von dem Oberverwaltungsgericht in dem
      Prozesskostenhilfebeschluss als Referenz herangezogene
      Rechtsprechung belegt auch nicht, dass die Rechtsfrage
      anderweitig einer gerichtlichen Klärung zugeführt worden
      wäre. Der zitierte Beschluss aus der Zivilgerichtsbarkeit
      (vgl. OLG Schl.-H., Beschluss vom 25. April 2001 - 2 W 29/01
      -, NVwZ Beilage Nr. I 3 2002, S. 47) stellt lediglich in
      Bezug auf die nicht eindeutig formulierte Vorschrift des
      § 13 Abs. 2 FrhEntzG a.F. klar, dass die Amtsgerichte
      die Prüfungskompetenz für den auf nachträgliche Feststellung
      der Rechtswidrigkeit der erledigten Freiheitsentziehung
      abzielenden Rechtsschutz besitzen. Zu der hier maßgeblichen,
      weitergehenden Rechtsfrage, ob den Verwaltungsgerichten im
      Rahmen der Kontrolle eines Heranziehungsbescheides die
      inzidente Prüfung der Rechtmäßigkeit der polizeilichen
      Ingewahrsamnahme verwehrt ist, äußert sich der Beschluss
      indes nicht. Gleiches gilt für das als Referenz aufgeführte
      Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 62, 317
      <321 ff.>), in welchem lediglich dem Rechtsschutz
      nach § 13 Abs. 2 a.F. FrhEntzG der Vorrang vor den
      (parallelen) Rechtsschutzmöglichkeiten nach der
      Verwaltungsgerichtsordnung eingeräumt wird. Zu der hier
      maßgeblichen, weitergehenden Rechtsfrage verhält sich das
      Urteil ebenfalls nicht. 


62  


Das Oberverwaltungsgericht konnte sich auch
      nicht darauf stützen, dass die Rechtsfrage sich ohne Weiteres
      aus Anwendung anerkannter Auslegungsmethoden ergab, da der
      von dem Verwaltungsgericht - unter Berücksichtigung des
      genannten Prozesskostenhilfebeschlusses seines Obergerichts -
      vertretene Rechtsstandpunkt, wie sich aus den vorstehenden
      Ausführungen ergibt, zu den gesetzlichen Vorgaben und auch
      sonst anerkannten Auslegungsmethoden in Widerspruch
      stand. 


63  


Nach alledem durfte das Oberverwaltungsgericht
      die Rechtsfrage mit dieser Argumentation nicht als geklärt
      ansehen und den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung
      der Berufung ablehnen. Mit der angegriffenen Entscheidung hat
      das Oberverwaltungsgericht den vom Gesetzgeber für Fragen von
      grundsätzlicher Bedeutung vorgesehenen Rechtsschutz im
      Berufungsverfahren in sachlich nicht zu rechtfertigender und
      damit willkürlicher Weise verkürzt. 


64  


d) Die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen
      beruhen auf den festgestellten Verfassungsverstößen. Es ist
      nicht auszuschließen, dass die Gerichte bei Beachtung der
      verfassungsrechtlichen Anforderungen zu einer anderen für den
      Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung gelangen
      werden. 


65  


3. Auf die vom Beschwerdeführer behaupteten
      Verstöße gegen weitere Grundrechte kommt es demnach nicht
      mehr an. 


66  


4. Die Entscheidung über die Erstattung der
      notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus
      § 34a Abs. 2 BVerfGG. 


67  


5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht
      auf § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 in Verbindung mit
      § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG. 


68  


Diese Entscheidung ist nach § 93d Abs. 1
      Satz 2 BVerfGG unanfechtbar. 

 



Kirchhof 
Eichberger 
Masing