Fall 76
Aktenzeichen: 1 BvR 3185/09
Beck Online: BeckRS 2014 49789.0

cid 76 
 BUNDESVERFASSUNGSGERICHT 
- 1 BvR 3185/09 - 

 

In dem Verfahren 
      über 
      die Verfassungsbeschwerde 


   


des Handelsverbands Berlin-Brandenburg e.V.
      (HBB), 
      vertreten durch die Präsidentin Karin Genrich, 
      Mehringdamm 48, 10961 Berlin, 


   



        - Bevollmächtigte:
       


Prof. Dr. Gregor Thüsing LL.M.,
Prof. Dr. Christian Waldhoff –
                              



   





gegen
          a) 

das Urteil des
          Bundesarbeitsgerichts vom 22. September 2009 - 1 AZR
          972/08 -, 



b) 

das Urteil des
          Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29.
          September 2008 - 5 Sa 967/08 -, 



c) 

das Urteil des
          Arbeitsgerichts Berlin vom 1. April 2008 - 34 Ca 2402/08
          - 




   


hat die 3. Kammer des Ersten Senats des
      Bundesverfassungsgerichts durch 
den Vizepräsidenten Kirchhof, 
      den Richter Masing 
      und die Richterin Baer 


   


gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a
      BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993
      (BGBl I S. 1473) am 26. März 2014 einstimmig beschlossen: 


   


Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur
      Entscheidung angenommen. 


   


Gründe: 

 

A. 


1  


Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen
      Urteile des Bundesarbeitsgerichts, des Landesarbeitsgerichts
      und des Arbeitsgerichts, mit denen diese gewerkschaftlich
      organisierte, streikbegleitende sogenannte Flashmob-Aktionen
      im Einzelhandel als rechtmäßig angesehen haben. 

 

I. 


2  


1. Der Beschwerdeführer organisiert als
      Arbeitgeberverband Einzelhandelsunternehmen im Raum
      Berlin-Brandenburg. Die im Ausgangsverfahren beklagte
      Gewerkschaft führte im Jahre 2007 einen Streik zur
      Durchsetzung ihrer Forderung nach einem neuen Tarifvertrag
      für den Einzelhandel. Ihr Landesbezirk Berlin-Brandenburg
      veröffentlichte während des Streiks ein virtuelles Flugblatt,
      mit der Frage „Hast Du Lust, Dich an Flashmob-Aktionen zu
      beteiligen?“, bat Interessierte um die Handy-Nummer, um diese
      per SMS zu informieren, wenn man gemeinsam „in einer
      bestreikten Filiale, in der Streikbrecher arbeiten, gezielt
      einkaufen gehen“ wolle, „z.B. so: Viele Menschen kaufen zur
      gleichen Zeit einen Pfennig-Artikel und blockieren damit für
      längere Zeit den Kassenbereich. Viele Menschen packen zur
      gleichen Zeit ihre Einkaufswagen voll (bitte keine
      Frischware!!!) und lassen sie dann stehen.“ Die Gewerkschaft
      propagierte dies auch in der Presse und im Rahmen einer
      öffentlichen Kundgebung. 


3  


Im Dezember 2007 führte die Gewerkschaft in
      der Filiale eines Mitgliedsunternehmens des Beschwerdeführers
      eine solche Flashmob-Aktion durch. Es beteiligten sich etwa
      40 bis 50 Personen, die per SMS von der Gewerkschaft dorthin
      bestellt worden waren. Zwei oder drei Teilnehmende trugen
      eine Jacke mit der Aufschrift „ver.di“, zahlreiche andere
      trugen Sticker der Gewerkschaft. Zunächst betraten etwa drei
      Personen die Filiale, klebten ein Flugblatt mit einem
      Streikaufruf an einen Backofen, legten weitere Flugblätter an
      die Kasse und forderten eine Arbeitnehmerin zur
      Streikteilnahme auf. Später begaben sich etwa 40 Personen in
      die Filiale und kauften dort in größerer Zahl sogenannte
      Pfennig- oder Cent-Artikel, weshalb sich an den Kassen
      Warteschlangen bildeten. Andere füllten etwa 40 Einkaufswagen
      mit Waren und ließen diese ohne Begründung oder mit der
      Angabe, das Geld vergessen zu haben, in den Gängen oder im
      Kassenbereich stehen. Die Aktion dauerte nach Angaben des
      Beschwerdeführers etwa eine Stunde, nach Angaben der
      Gewerkschaft 45 Minuten. 


4  


Mit seiner Klage im Ausgangsverfahren
      verfolgte der Beschwerdeführer das Ziel, der Gewerkschaft den
      Aufruf zu weiteren derartigen Flashmobs zu untersagen. 


5  


2. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, das
      Landesarbeitsgericht wies die Berufung zurück. Die vom
      Beschwerdeführer eingelegte Revision wies das
      Bundesarbeitsgericht zurück, denn die Klage sei unbegründet.
      Der Beschwerdeführer könne von der Gewerkschaft nicht die
      Unterlassung künftiger Aufrufe zu sogenannten
      Flashmob-Aktionen verlangen; diese seien nicht generell
      rechtswidrig. Zwar seien sie regelmäßig ein Eingriff in den
      eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Doch sei dieser
      aus Gründen des Arbeitskampfrechts gerechtfertigt.
      Streikbegleitende Flashmob-Aktionen der Gewerkschaften, mit
      denen tarifliche Ziele verfolgt würden, unterfielen dem
      Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG. Ob eine Betätigung
      koalitionsspezifisch sei, richte sich grundsätzlich nicht
      nach der Art des gewählten Mittels, sondern nach dem
      verfolgten Zweck. Der Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG sei
      auch nicht versperrt, weil nicht ausgeschlossen werden könne,
      dass sich Dritte beteiligten. Doch bedeute dies nicht, dass
      Flashmob-Aktionen stets zulässig seien. Zentraler Maßstab sei
      die Verhältnismäßigkeit. Hinsichtlich der Geeignetheit und
      Erforderlichkeit von Arbeitskampfmaßnahmen komme den
      Koalitionen ein Beurteilungsspielraum zu. Streikbegleitende
      Flashmob-Aktionen seien nicht stets offensichtlich ungeeignet
      oder stets offensichtlich nicht erforderlich zur Durchsetzung
      von tariflichen Zielen. Sie seien auch nicht generell
      unverhältnismäßig. Zwar unterschieden sie sich vom
      herkömmlichen Arbeitskampfmittel des Streiks nicht
      unbeträchtlich. Es gehe um eine „aktive“ Störung
      betrieblicher Abläufe, anders als beim Streik fehle eine
      Selbstschädigung durch den Entfall des Vergütungsanspruches
      und es bestünde die Gefahr, dass derartige Aktionen durch ein
      weniger beeinflussbares Verhalten Dritter außer Kontrolle
      gerieten; daher müssten Flashmob-Aktionen klar als von der
      Gewerkschaft getragene Arbeitskampfmaßnahmen erkennbar sein.
      Doch sei die Arbeitgeberseite diesen nicht wehrlos
      ausgeliefert, sondern habe wirksame
      Verteidigungsmöglichkeiten. Sie könne ihr Hausrecht nutzen,
      wo sich strafbar mache, wer einem Verweis nicht Folge leiste,
      oder einem Flashmob durch eine vorübergehende
      Betriebsschließung begegnen. Es handele sich nicht um
      „Betriebsblockaden“, denn Flashmobs seien auf eine relativ
      kurzfristige, vorübergehende Störung betrieblicher Abläufe
      gerichtet. Die bloße Möglichkeit, dass es zu „Exzessen“
      komme, führe nicht zur generellen Rechtswidrigkeit des
      Arbeitskampfmittels. 

 

II. 


6  


Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der
      Beschwerdeführer eine Verletzung der Art. 9 Abs. 3,
      Art. 12, Art. 14, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
      sowie Art. 9 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 20
      Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG als Grenze richterlicher
      Rechtsfortbildung. 


7  


1. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
      verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG,
      da durch Überdehnung des Schutzbereichs der
      Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft die Koalitionsfreiheit
      des Beschwerdeführers unzulässig verkürzt werde. Es sei ein
      typologisches Verständnis dessen geboten, was als
      Arbeitskampfmaßnahme zu betrachten sei, wobei einer
      historischen Orientierung besondere Bedeutung zukomme. Streik
      und Aussperrung seien grundsätzlich zulässig,
      Betriebsblockaden dagegen unzulässig. Der Flashmob sei der
      Blockade ähnlich; es gehe um das temporäre „Dichtmachen“ der
      Filiale. Der Grundsatz der freien Wahl der Arbeitskampfmittel
      erlaube den Koalitionen nicht, unbegrenzt neue
      Arbeitskampfmittel zu schaffen. Kennzeichnend für ein
      zulässiges Arbeitskampfmittel sei die Vorenthaltung der
      vertraglich geschuldeten Leistung, wohingegen die aktive
      Beteiligung Dritter sowie Eingriffe in Gesundheit, Freiheit
      und Eigentum ausschieden. Das Bundesarbeitsgericht verkenne
      den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG, indem es ihn von
      der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie löse, denn
      geschützt sei nur, was für diese erforderlich sei. Durch die
      Beteiligung Dritter werde zudem die Kampfstärke einer
      Gewerkschaft von ihrer organisatorischen Stärke, also dem
      Organisationsgrad und der Fähigkeit zur Mobilisierung der
      Belegschaft gelöst. Für Dritte gelte im Übrigen Art. 8
      GG, nicht Art. 9 Abs. 3 GG. Auch seien Flashmob-Aktionen
      typischerweise schwer kontrollierbar, so dass die
      Gewerkschaft nicht dafür garantieren könne, dass sich alle
      Teilnehmenden an die vorgegebenen Spielregeln halten würden.
      Die Koalitionsfreiheit des Beschwerdeführers werde verletzt,
      weil die Zulassung von Flashmobs zu einer paritätswidrigen
      Ausgestaltung des Arbeitskampfrechts führe. Die Gegenseite
      könne nicht wirksam reagieren, denn die Betriebsstilllegung
      sei kein Gegenmittel, sondern eine Kapitulation, und die
      Ausübung des Hausrechts kaum möglich, für kurzfristige
      Aktionen nicht geeignet und mit dem Risiko weiterer
      Eskalation verbunden. Zudem werde ein Arbeitskampfmittel
      anerkannt, das ohne ein Element der Selbstschädigung
      auskomme, denn anders als ein Streik verursache ein Flashmob
      für die Gewerkschaft praktisch keine Kosten. 


8  


2. Die angegriffene Entscheidung des
      Bundesarbeitsgerichts verletze das Recht des
      Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter aus
      Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, weil es der Erste Senat des
      Bundesarbeitsgerichts versäumt habe, den Großen Senat
      anzurufen. Eine Verpflichtung zur Vorlage ergebe sich nach
      § 45 Abs. 2 ArbGG aus dem Gesichtspunkt der Divergenz,
      weil sich der Erste Senat von den Vorgaben des Großen Senats
      zum Arbeitskampfrecht weitgehend gelöst habe. Zudem habe die
      Sache grundsätzliche Bedeutung nach § 45 Abs. 4 ArbGG,
      denn der Erste Senat schaffe unter Umgehung des Großen Senats
      ein qualitativ neuartiges Arbeitskampfmittel. 


9  


3. Der Beschwerdeführer werde ferner in seinen
      Grundrechten aus Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit
      Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG verletzt, weil die
      angegriffenen Urteile die verfassungsrechtlichen Grenzen
      richterlicher Rechtsfortbildung missachteten. Nach der
      Wesentlichkeitstheorie müsse der parlamentarische Gesetzgeber
      hier selbst regeln. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht
      für die Ausgestaltung des Arbeitskampfrechts entschieden,
      dass dies nicht für das Verhältnis zwischen gleichgeordneten
      Grundrechtsträgern gelte. Die Unterscheidung zwischen
      Akteuren im Gleichordnungsverhältnis und im
      Über-/Unterordnungsverhältnis überzeuge jedoch nicht. Zudem
      genüge das Bundesarbeitsgericht nicht den
      verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von
      Rechtsnormen, wenn es Arbeitskampfmaßnahmen ausschließlich
      anhand des Verhältnismäßigkeitsprinzips beurteile. 


10  


4. Die Mitgliedsunternehmen des
      Beschwerdeführers seien in ihrem Grundrecht aus Art. 14
      GG beziehungsweise Art. 12 GG verletzt. 

 

III. 


11  


Zu der Verfassungsbeschwerde haben die
      Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) als Beklagte
      des Ausgangsverfahrens, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB),
      für die Bundesregierung das Bundesministerium für Arbeit und
      Soziales (BMAS), der Handelsverband Deutschland (HDE) sowie
      die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
      Stellung genommen; der Beschwerdeführer hat auf die
      eingegangenen Stellungnahmen erwidert. 


12  


1. Die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft
      (ver.di) verteidigt die angegriffenen arbeitsgerichtlichen
      Urteile. Das Bundesarbeitsgericht habe Flashmob-Aktionen
      nicht generell für zulässig erklärt, sondern festgestellt,
      dass diese Aktionen nicht in allen ernsthaft in Betracht
      kommenden Fallgestaltungen unverhältnismäßig seien. Die
      Beteiligung Dritter an Flashmobs stehe dem nicht entgegen. An
      gewerkschaftlichen Arbeitskämpfen seien Beschäftigte anderer
      Betriebe und Gewerkschaften, Familienangehörige und sonstige
      Interessierte schon immer passiv oder aktiv beteiligt. Die
      gewerkschaftliche Organisation müsse Gäste daran hindern,
      Schaden zu stiften und die Gewerkschaft täte auch alles, um
      Exzesse zu verhindern. Flashmobs würden als
      Arbeitskampfmittel nur eingesetzt, wenn sie auch betrieblich
      unterstützt und getragen würden, also nicht unabhängig von
      der eigenen Stärke der Koalition. Die Arbeitgeberseite habe
      geeignete Verteidigungsmittel, denn die suspendierende
      Betriebsstilllegung erzeuge Druck auf die Gewerkschaft, den
      Betroffenen Streik- beziehungsweise Aussperrungsunterstützung
      zu zahlen, und das Hausrecht lasse den Verbleib im Betrieb
      zum Hausfriedensbruch werden. Ein Flashmob sei keine
      Betriebsblockade, denn der Zugang zum Geschäft werde nicht
      behindert. Schließlich sei zu beachten, dass sich die
      Bedingungen, unter denen Arbeitskämpfe im Einzelhandel
      geführt würden, in den letzten Jahren unter anderem durch den
      Einsatz von Leiharbeit und Werkverträgen zu Lasten der
      Gewerkschaften verändert hätten. Flashmob-Aktionen könnten
      andere Arbeitskampfmittel daher zwar nicht ersetzen, sie aber
      ergänzen. Sie würden, wie Streiks, durch Situationsanalysen,
      Aktionsplanungen und Schulungen vorbereitet und
      Verhaltensregeln zum Beispiel zum Schutz verderblicher Ware
      vermittelt. Die örtliche Arbeitskampfleitung sei dafür
      verantwortlich, dass diese Regeln eingehalten und Störungen
      durch Dritte unterbunden würden. 


13  


2. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält
      die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Schutzbereich und
      Grenzen der Koalitionsfreiheit seien verfassungsrechtlich
      geklärt. Das Bundesarbeitsgericht habe dies nur dahingehend
      ausgestaltet, dass streikbegleitende, gewerkschaftlich
      getragene Flashmob-Aktionen einer bestimmten Art nicht von
      vornherein generell rechtswidrig seien. Es habe dem
      Arbeitskampfmittel der aktiven Betriebsstörung mit Hilfe des
      Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes enge Grenzen gesetzt. Stelle
      sich im Nachhinein die Rechtswidrigkeit der Aktion heraus,
      laufe die Gewerkschaft Gefahr, auf Schadensersatz in Anspruch
      genommen zu werden. Die Zulassung des Flashmobs als
      Arbeitskampfmittel sei für die Funktionsfähigkeit der
      Tarifautonomie als notwendiges Korrelat zur Möglichkeit der
      Leiharbeit auf Arbeitgeberseite erforderlich. Dies
      beeinträchtige nicht die Parität der Arbeitskampfmittel. Es
      sei auch zweifelhaft, ob Flashmob-Aktionen eine größere
      praktische Bedeutung in Arbeitskämpfen erlangen könnten. 


14  


3. Das Bundesministerium für Arbeit und
      Soziales (BMAS) hält die Verfassungsbeschwerde für begründet.
      Das Bundesarbeitsgericht habe bei der Abwägung der
      Grundrechtspositionen unzutreffend gewichtet. Es könne
      dahinstehen, ob nur die klassischen Instrumente von Streik
      und Aussperrung geschützt seien; jedenfalls seien
      Flashmob-Aktionen unzulässig, weil sie von der Gewerkschaft
      frei von eigenen Risiken eingesetzt werden könnten und der
      Gegenseite keine geeigneten Verteidigungsmöglichkeiten
      ließen, denn Betriebsschließung und Hausverbot seien nicht
      wirksam. 


15  


4. Der Handelsverband Deutschland (HDE) hält
      die Verfassungsbeschwerde für begründet. Gegen
      Flashmob-Aktionen gebe es keine wirksamen
      Verteidigungsmöglichkeiten; es komme auch zu Exzessen.
      Insbesondere ließen sich Hausverbote nicht effizient
      durchsetzen. Es handele sich unabhängig von der Dauer um
      unzulässige Betriebsblockaden, denn es könne keinen
      Unterschied machen, ob der Betrieb von außen blockiert werde
      oder ob eine Blockade der Kassen von innen erfolge. Auch
      müsse erhebliche Arbeitszeit aufgewendet werden, nach einem
      Flashmob sämtliche Artikel wieder einzuräumen. 


16  


5. Die Bundesvereinigung der Deutschen
      Arbeitgeberverbände (BDA) meint, der Flashmob sei von der
      Kampfmittelfreiheit nicht mehr umfasst. Er sei kein
      friedliches Arbeitskampfmittel und zur Herstellung eines
      Kräftegleichgewichts weder erforderlich noch verhältnismäßig.
      Das Bundesarbeitsgericht berücksichtige nicht ausreichend,
      dass Flashmob-Aktionen - anders als Streiks - unmittelbar in
      Eigentum und Besitz der Gegenseite eingriffen. Art. 9
      Abs. 3 GG gebe aber kein Recht, das Eigentum des Gegners zu
      okkupieren, um Verhandlungsdruck zu erzeugen. 

 

B. 


17  


Gründe für die Annahme der
      Verfassungsbeschwerde im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG
      liegen nicht vor. 


18  


Die Verfassungsbeschwerde hat keine
      grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des
      § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG, denn die Maßstäbe zur
      Beurteilung von Arbeitskämpfen, die sich aus Art. 9 Abs.
      3 GG ergeben, sind geklärt (vgl. BVerfGE 84, 212
      <224 ff.>; 88, 103 <113 ff.>; 92, 365
      <393 ff.>). Dies gilt auch für die Frage nach der
      Kompetenz des Bundesarbeitsgerichts zur Fortentwicklung des
      Arbeitskampfrechts (vgl. BVerfGE 84, 212 <226 f.>;
      88, 103 <115 f.>). 


19  


Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch
      nicht nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur
      Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte
      angezeigt, denn die Verfassungsbeschwerde ist ohne Aussicht
      auf Erfolg. 

 

I. 


20  


Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung
      der aus Art. 12 beziehungsweise Art. 14 GG
      abgeleiteten Rechte seiner vom Flashmob betroffenen
      Mitgliedsunternehmen geltend macht, ist die
      Verfassungsbeschwerde unzulässig. Eine Verletzung wird hier
      ohnehin nur behauptet, ohne diese näher zu begründen. Der
      Beschwerdeführer ist nicht selbst betroffen. 

 

II. 


21  


Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist,
      ist sie unbegründet. 


22  


1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen
      nicht die in Art. 9 Abs. 3 GG geschützte
      Koalitionsfreiheit des Beschwerdeführers. 


23  


a) Das Doppelgrundrecht des Art. 9 Abs. 3
      GG schützt nicht nur Einzelne in ihrer Freiheit, eine
      Vereinigung zur Wahrung der Arbeits- und
      Wirtschaftsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten oder
      fernzubleiben oder sie zu verlassen. Geschützt ist auch die
      Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen
      Ausgestaltung und in ihren Betätigungen, sofern diese der
      Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen. Der
      Schutz ist nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung nicht
      etwa von vornherein auf den Bereich des Unerlässlichen
      beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle
      koalitionsspezifischen Verhaltensweisen (vgl. BVerfGE 93, 352
      <358 f.>; zudem BVerfGE 94, 268 <283>; 100,
      271 <282>; 103, 293 <304> m.w.N.). Er ist auch
      nicht auf die traditionell anerkannten Formen des Streiks und
      der Aussperrung beschränkt, denn es gibt keinen Anhaltspunkt
      dafür, dass allein diese Arbeitskampfmittel in ihrer
      historischen Ausprägung vom Verfassungsgeber als Ausdruck
      eines prästabilen Gleichgewichts angesehen worden wären (vgl.
      BVerfGE 84, 212 <229 f.>). Die Wahl der Mittel,
      die die Koalitionen zur Erreichung der koalitionsspezifischen
      Zwecke für geeignet halten, überlässt Art. 9 Abs. 3 GG
      vielmehr grundsätzlich ihnen selbst. Dies folgt aus der
      Bedeutung des Art. 9 Abs. 3 GG als Freiheitsrecht der
      Koalitionen und aus der Staatsferne der Koalitionsfreiheit
      (vgl. BVerfGE 92, 365 <393> m.w.N.). 


24  


Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit bedarf
      allerdings der Ausgestaltung durch die Rechtsordnung, soweit
      es die Beziehungen zwischen Trägern widerstreitender
      Interessen zum Gegenstand hat (vgl. BVerfGE 84, 212
      <228>; 88, 103 <115>; 92, 365 <394>). Beide
      Tarifvertragsparteien genießen den Schutz des Art. 9
      Abs. 3 GG in gleicher Weise, stehen bei seiner Ausübung aber
      in Gegnerschaft zueinander. Sie sind auch insoweit vor
      staatlicher Einflussnahme geschützt, als sie zum Austragen
      ihrer Interessengegensätze Kampfmittel mit beträchtlichen
      Auswirkungen auf den Gegner und die Allgemeinheit einsetzen
      (vgl. BVerfGE 88, 103 <115>; 92, 365 <394>). 


25  


Bei der Ausgestaltung des Arbeitskampfrechts
      besteht ein weiter Handlungsspielraum. Das Grundgesetz
      schreibt nicht vor, wie die gegensätzlichen
      Grundrechtspositionen im Einzelnen abzugrenzen sind; es
      verlangt keine Optimierung der Kampfbedingungen (vgl. BVerfGE
      92, 365 <394 ff.>). Umstrittene
      Arbeitskampfmaßnahmen werden unter dem Gesichtspunkt der
      Proportionalität überprüft; durch den Einsatz von
      Arbeitskampfmaßnahmen soll kein einseitiges Übergewicht bei
      Tarifverhandlungen entstehen (vgl. BVerfGE 84, 212
      <229>; 92, 365 <395>). Die Orientierung des
      Bundesarbeitsgerichts am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
      ist insofern nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 84, 212
      <229>; 92, 365 <395>; entsprechend BAG, Großer
      Senat, Beschluss vom 21. April 1971 - GS 1/68 -, juris, sowie
      EGMR, Enerji Yapi-Yol Sen v. Türkei, Urteil vom 21. April
      2009, Nr. 68959/01, - NZA 2010, S. 1423, §§ 24,
      32). 


26  


b) Ausgehend von diesen Maßstäben lässt sich
      eine Verletzung des Beschwerdeführers in seiner
      Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG durch die
      angegriffenen Urteile nicht feststellen. Gewerkschaftlich
      getragene, auf Tarifverhandlungen bezogene sogenannte
      Flashmob-Aktionen der vorliegend zu beurteilenden Art fallen
      in den Schutzbereich der Koalitionsfreiheit aus Art. 9
      Abs. 3 GG. 


27  


aa) Das Bundesarbeitsgericht geht zutreffend
      davon aus, dass die Beurteilung, ob eine Betätigung
      koalitionsspezifisch ist, grundsätzlich nicht nach der Art
      des von der Koalition gewählten Mittels, sondern nach dem von
      ihr damit verfolgten Ziel zu erfolgen hat. Es besteht kein
      Anlass, am koalitionsspezifischen Zweck des Aufrufs zu einem
      Flashmob der vorliegend zu beurteilenden Art zu zweifeln, der
      streikbegleitend während der laufenden
      Tarifauseinandersetzung erkennbar darauf ausgerichtet ist,
      rechtmäßige Arbeitskampfziele zu unterstützen. 


28  


Die Frage, ob strafbare Handlungen von
      vornherein aus dem Schutzbereich der Koalitionsfreiheit
      ausgeschlossen sind, muss vorliegend nicht beantwortet
      werden. Das Bundesarbeitsgericht, das allein darauf abstellt,
      dass Flashmob-Aktionen nicht generell unzulässig seien, geht
      in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon
      aus, dass es hier um Aufrufe zu streikbegleitenden
      Flashmob-Aktionen geht, die jedenfalls nicht typischerweise
      mit Straftaten wie Hausfriedensbruch, Nötigung oder
      Sachbeschädigung einhergehen. Tatsächlich hatte die
      Gewerkschaft in ihrem Flugblatt, das für den Beschwerdeführer
      Anlass war, die Unterlassung vergleichbarer Aufrufe zu
      fordern, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass keine
      Frischware in die Einkaufswagen gelegt werden solle, also
      Sachbeschädigungen vermieden werden sollten, und sie hat auch
      nicht zum Hausfriedensbruch aufgefordert. Das
      Bundesarbeitsgericht hat den Antrag so ausgelegt, dass ein
      Aufruf dazu, Wagen mit verderblicher Frischware zu beladen
      oder Waren einscannen zu lassen, sie aber sodann nicht zu
      bezahlen und den gefüllten Wagen an der Kasse stehen zu
      lassen, nicht Verfahrensgegenstand war, weshalb es über die
      Rechtmäßigkeit eines derartigen Aufrufs nicht entschieden
      hat. Es nimmt für seine Aussagen vielmehr eine
      Fallkonstellation zum Ausgangspunkt, in der - soweit
      ersichtlich - Straftaten nicht begangen wurden. 


29  


bb) Die vom Bundesarbeitsgericht
      herangezogenen Kriterien zur Beurteilung von
      Flashmob-Aktionen sind auch hinsichtlich der Grenzen der
      Koalitionsfreiheit verfassungsrechtlich nicht zu
      beanstanden. 


30  


(1) Das Bundesarbeitsgericht berücksichtigt
      insbesondere, dass sich durch die Teilnahme Dritter an
      Flashmob-Aktionen die Gefahr erhöhen kann, dass diese außer
      Kontrolle geraten, weil das Verhalten Dritter weniger
      beeinflussbar ist. Es setzt der - im Ausgangsfall auch
      tatsächlich eingeschränkten - Teilnahme Dritter daher
      auch rechtliche Grenzen. So muss der Flashmob als
      gewerkschaftlich getragene Arbeitskampfmaßnahme erkennbar
      sein, also deutlich werden, dass es sich nicht um eine
      „wilde“, nicht gewerkschaftlich getragene Aktion handelt, was
      auch für Schadensersatzforderungen der Arbeitgeber bei
      rechtswidrigen Aktionen von Bedeutung ist. In
      verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise
      berücksichtigt das Bundesarbeitsgericht auch, dass
      Flashmob-Aktionen - anders als Streiks - kein Element
      unmittelbarer Selbstschädigung der Teilnehmenden in Form des
      Verlustes des Arbeitsentgelts innewohnt, das einen
      (eigen-)verantwortlichen Umgang mit dem Arbeitskampfmittel
      fördern kann. Der Gehalt des Art. 9 Abs. 3 GG, der
      sowohl die Gewerkschaft als auch die Arbeitgeberseite
      schützt, wird jedoch nicht verkannt, wenn das
      Bundesarbeitsgericht darauf abstellt, dass der
      Arbeitgeberseite geeignete Verteidigungsmittel gegen die hier
      in Rede stehenden Aktionen zur Verfügung stünden. Es ist
      nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, eine eigene
      Einschätzung zur praktischen Wirksamkeit von
      Reaktionsmöglichkeiten der Arbeitgeberseite an die Stelle
      derjenigen der Fachgerichte zu setzen, solange diese nicht
      einer deutlichen Fehleinschätzung folgen. Eine solche ist
      hier nicht erkennbar, denn das Bundesarbeitsgericht hat sich
      mit der Frage nach wirksamen Gegenmaßnahmen der
      Arbeitgeberseite gegen einen streikbegleitenden Flashmob
      intensiv auseinandergesetzt. Es berücksichtigt dabei
      insbesondere auch die Interessen der Arbeitgeberseite. Danach
      ist ein Hausverbot ein Mittel zur Abwehr der hier streitigen
      Arbeitskampfmaßnahmen, soweit Teilnehmende äußerlich als
      solche zu erkennen sind, zum Beispiel aufgrund von Kleidung
      oder Mitgliedszeichen der Gewerkschaft oder aufgrund
      eindeutigen Verhaltens; die Befürchtung, dass Teilnehmende
      der Aufforderung, die Einzelhandelsfiliale zu verlassen,
      verbreitet keine Folge leisten würden, wird durch die
      Strafandrohung des § 123 Abs. 1 2. Alt.
      StGB relativiert. Auch die Annahme, eine suspendierende
      Betriebsstilllegung sei in Fällen der vorübergehenden Störung
      des Betriebsablaufes durch einen Flashmob nicht wirkungslos,
      ist jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig; mit ihr
      verlören auch die Arbeitswilligen ihren Lohnanspruch, was ein
      für die Gewerkschaft beachtlicher und die Kampfparität
      fördernder Effekt ist. Gegen diese fachgerichtliche
      Einschätzung, das Hausrecht und die vorübergehende
      Betriebsstilllegung seien als wirksame Verteidigungsmittel
      anzusehen, ist verfassungsrechtlich daher nichts zu
      erinnern. 


31  


(2) Das Bundesarbeitsgericht verkennt den
      Schutzgehalt des Art. 9 Abs. 3 GG auch nicht mit Blick
      auf die vorübergehende Erschwerung des Zugangs zu den Kassen
      durch beladene Einkaufswagen und durch den Einkauf von
      Cent-Artikeln, denn die an sich durchaus gewichtige
      Beeinträchtigung des Betriebs war nicht umfassend und von
      vergleichsweise kurzer Dauer. Es ist nicht ersichtlich, dass
      der Kassenbereich durch die hier konkret zu beurteilende
      Aktion nachhaltig blockiert gewesen wäre. 


32  


2. Art. 28 der Charta der
      Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta -
      EuGRCh) zum Recht auf Kollektivverhandlungen und
      Kollektivmaßnahmen einschließlich des Streiks ist hier
      entgegen einer in den Stellungnahmen geäußerten Auffassung
      nicht anwendbar. Nach Art. 51 Abs. 1 EuGRCh bindet
      die Charta die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der
      Durchführung des Rechts der Union. Die Charta findet keine
      Anwendung, wenn über einen Sachverhalt zu entscheiden ist,
      für den der Union die Regelungskompetenz fehlt. Das
      Primärrecht schließt eine Zuständigkeit der Union für das
      Koalitionsrecht, Streikrecht und Aussperrungsrecht in
      Art. 153 Abs. 5 AEUV ausdrücklich aus. 


33  


3. Die Rüge des Beschwerdeführers zu
      Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hat keinen Erfolg. Der
      gesetzliche Richter ist nicht dadurch entzogen worden, dass
      der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts nicht an den Großen
      Senat vorgelegt hat. 


34  


a) Rechtsuchende können dem gesetzlichen
      Richter dadurch entzogen werden, dass das Gericht der
      Verpflichtung zur Vorlage an ein anderes Gericht nicht
      nachkommt (vgl. BVerfGE 13, 132 <143>; 101, 331
      <359>). Auch die unterlassene Vorlage an den Großen
      Senat eines obersten Bundesgerichts kann Art. 101
      Abs. 1 Satz 2 GG verletzen (vgl. BVerfGE 19, 38
      <43>; BVerfGK 2, 213 <220>). Ein Verstoß gegen
      Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch Nichtvorlage liegt
      allerdings nur vor, wenn die Auslegung und Anwendung
      einfachen Rechts nicht nur fehlerhaft, sondern willkürlich
      ist (grundlegend BVerfGE 3, 359 <364 f.>). 


35  


b) Davon ausgehend ist nicht ersichtlich, dass
      das Bundesarbeitsgericht die Vorlagepflicht aus § 45
      ArbGG willkürlich verkannt hätte. Das gilt sowohl für die
      Anforderungen an eine Divergenzvorlage als auch für jene an
      eine Grundsatzvorlage. 


36  


aa) Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts
      hat keinen Rechtssatz zum Arbeitskampfrecht aufgestellt, von
      dem die angegriffene Entscheidung abwiche. Auch nach der
      Rechtsprechung des Großen Senats gibt es eine „Kampffreiheit“
      bei der Wahl der Mittel des Arbeitskampfes und es gilt der
      Grundsatz der Waffengleichheit als Kampfparität (vgl. BAG,
      Beschluss vom 28. Januar 1955 - GS 1/54 -, juris,
      Rn. 65); maßgeblich ist der
      Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. BAG, Beschluss vom
      21. April 1971 - GS 1/68 -, juris, Rn. 62 ff.), der
      auch die vorliegende Entscheidung trägt. 


37  


bb) Das Bundesarbeitsgericht hat auch eine
      Grundsatzvorlage nicht willkürlich unterlassen. Es kann
      dahinstehen, ob § 45 Abs. 4 ArbGG verfassungskonform
      dahingehend auszulegen ist, dass bei grundsätzlicher
      Bedeutung zwingend vorzulegen ist oder ob ein Ermessen
      besteht. Jedenfalls ist dies im Rahmen des Art. 101 Abs.
      1 Satz 2 GG nur anhand des Willkürmaßstabs zu überprüfen. Für
      Willkür spricht aber vorliegend nichts. Das
      Bundesarbeitsgericht hat die Rechtsprechung zum
      Arbeitskampfrecht nicht in Frage gestellt, sondern für einen
      konkreten Sachverhalt weiterentwickelt. 


38  


4. Der Beschwerdeführer kann nicht mit Erfolg
      geltend machen, er sei in seinen Grundrechten aus Art. 9
      Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und
      Abs. 3 GG verletzt, weil die angegriffenen Urteile die
      Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung missachteten. 


39  


a) Die Gerichte sind nicht aus
      verfassungsrechtlichen Gründen gehindert, die Ausgestaltung
      der Koalitionsfreiheit vorzunehmen, weil dies allein Sache
      des Gesetzgebers wäre. Zwar ist es Aufgabe des Gesetzgebers,
      die Koalitionsfreiheit näher auszugestalten. Soweit es um das
      Verhältnis der Parteien des Arbeitskampfes als
      gleichgeordnete Grundrechtsträger geht, muss diese Ausformung
      nicht zwingend durch gesetzliche  Regelungen
      erfolgen (vgl. BVerfGE 84, 212 <226 f.>; 88, 103
      <115 f.> m.w.N.). Die Gerichte sind aufgrund des
      aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten
      Justizgewährleistungsanspruchs verpflichtet, wirkungsvollen
      Rechtsschutz zu bieten (vgl. BVerfGE 85, 337 <345>;
      107, 395 <406 f.>). Sie müssen bei unzureichenden
      gesetzlichen Vorgaben mit den anerkannten Methoden der
      Rechtsfindung aus den bestehenden Rechtsgrundlagen ableiten,
      was im Einzelfall gilt (vgl. BVerfGE 84, 212
      <226 f.>). Entschieden die Gerichte für
      Arbeitssachen arbeitskampfrechtliche Streitigkeiten mit
      Hinweis auf fehlende gesetzliche Regelungen nicht, verhielten
      sie sich ihrerseits verfassungswidrig. 


40  


b) Die Rechtsprechung des
      Bundesarbeitsgerichts genügt auch den Anforderungen, die sich
      aus dem Rechtsstaatsprinzip für die Bestimmtheit des Rechts
      ergeben. Der Grundsatz der Bestimmtheit verlangt von der
      Gesetzgebung, Tatbestände so präzise zu formulieren, dass von
      einer Norm Adressierte ihr Handeln kalkulieren können, weil
      die Folgen der Regelung für sie voraussehbar und berechenbar
      sind (vgl. BVerfGE 78, 205 <212>; 84, 133 <149>).
      Rechtsnormen brauchen allerdings nur so bestimmt zu sein, wie
      dies nach der Eigenart der zu regelnden Sachverhalte mit
      Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfGE 78, 205
      <212>; 84, 133 <149>), weshalb auch unbestimmte
      Rechtsbegriffe oder auslegungsfähige Generalklauseln zulässig
      sind (vgl. BVerfGE 31, 255 <264>; 110, 33
      <56 f.>). Diese bedürfen dann der Konkretisierung
      durch die Gerichte. Den Gerichten sind hierbei durch das
      Rechtsstaatsprinzip, insbesondere durch die Grundsätze der
      Bestimmtheit und der Rechtssicherheit, Grenzen gesetzt.
      Angesichts seiner Weite ist bei der Ableitung konkreter
      Begrenzungen jedoch behutsam vorzugehen (vgl. BVerfGE 111, 54
      <82>). 


41  


Danach unterliegt es von Verfassung wegen
      keinen Bedenken, dass das Bundesarbeitsgericht die
      Flashmob-Aktionen auf der Grundlage des geltenden Rechts nach
      Maßgabe näherer Ableitungen aus dem
      Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht als generell unzulässig
      beurteilte. Der hierfür vom Bundesarbeitsgericht maßgeblich
      herangezogene Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zwar
      inhaltlich unbestimmt, aber dogmatisch detailliert
      durchformt. Das Bundesarbeitsgericht präzisiert so die
      Anforderungen an einen Flashmob, nachdem die übrigen
      Voraussetzungen des Schutzes von Art. 9 Abs. 3 GG bejaht
      worden sind. Die Verhältnismäßigkeit strukturiert die
      gerichtliche Überprüfung der Grenzen, die einer
      grundrechtlich geschützten Freiheit gesetzt sind. Dies genügt
      den Anforderungen, die sich aus der Verfassung für die auf
      das Recht bezogene Handlungsorientierung der
      Arbeitskampfparteien stellen. 

 

III. 


42  


Diese Entscheidung ist unanfechtbar. 


   




Kirchhof 
Masing 
Baer